Die EG will Vollgas bei Lastwagen geben

■ Umstrittener Richtlinien-Vorschlag zur Harmonisierung der Geschwindigkeiten für Nutzfahrzeuge / In der Bundesrepublik würde dies eine Tempoheraufsetzung bedeuten / Verkehrsminister Zimmermann sieht keinen Handlungsbedarf / VCD protestiert

Berlin (taz) - „Üble, ganz üble Zeiten“ sieht der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kommen, wenn die EG-Absichten zur „Harmonisierung der Geschwindigkeitsbegrenzungen für Nutzfahrzeuge“ Wirklichkeit werden. Ein Richtlinien -Vorschlag der EG-Kommission sieht Heraufsetzungen der Geschwindigkeiten für Lkw vor. Je nach Fahrzeugtyp sollen die Lkw um bis zu 20 Kilometer schneller fahren dürfen. Bereits Ende Juni soll über den Richtlinien-Vorschlag entschieden werden. Die Maßnahme sei Bestandteil einer gemeinsamen Verkehrspolitik mit dem Ziel, „gemeinsame Regeln für den grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der Gemeinschaft festzulegen“, heißt es einleitend in dem Richtlinien-Papier.

Nach dem EG-Vorschlag dürften alle Lkw bis 12 Tonnen künftig Tempo 100 auf Autobahnen fahren. Nach bundesdeutschem Gesetz sind dort bisher ab 2,8 Tonnen Tempo 80 vorgeschrieben. Auf diese Geschwindigkeit werden laut EG -Vorschlag nur die ganz schweren Brummer fixiert. Auf Außerortsstraßen würde die Geschwindigkeit je nach Lkw-Typ von 60 und 70 auf 80 km/h erhöht.

Das Bonner Verkehrsministerium sieht bisher „noch keinen dringenden Handlungsbedarf“. Der EG fehle die Kompetenz für diese Entscheidung. Der Verkehrsminister gehe davon aus, daß die Regelung der Geschwindigkeit den einzelnen Mitgliedsländern überlassen bleibt, sagte BMV-Sprecher Peter Schimikowski der taz. Für Bonn bleibe die bisherige Temporegelung die richtige Lösung.

Die EG-Kommission hält dem entgegen, daß „aus Wettbewerbsgründen und zur Verwirklichung einer Gemeinschaftspolitik für die Automobilindustrie Gemeinschaftsvorschriften über Geschwindigkeitsbegrenzungen wünschenswert sind“, so das Papier.

Bereits im März 1984 hatten die EG-Länder ein gemeinsames Verkehrsprogramm verabredet und im Februar 1986 diesen Wunsch erneuert. Ziel dieser Verkehrspolitik: Die „Förderung der Verkehrssicherheit“ und „Verringerung der Zahl der Straßenverkehrsunfälle“. Wie dies mit einer Geschwindigkeitserhöhung zu erreichen ist, wird das Geheimnis der EG-BürokratInnen bleiben.

Der VCD wies gestern in seiner Stellungnahme daraufhin, daß der Lkw-Verkehr durch den EG-Binnenmarkt ohnehin drastisch zunehmen werde. Bis zum Jahre 2.000 werde eine Steigerung der Lkw-Fahrten um 50-70 Prozent erwartet. Die Bundesbahn rechne ab 1993 mit jährlichen Verlusten im Güterverkehr von 700 Millionen Mark. Der VCD erneuerte seine Forderung nach einer Schwerverkehrsabgabe und den Einbau von Tempobegrenzern in Lastern.

-man