Sind Schwule stolz Deutsche zu sein?

Im 'Wiener‘ macht der Zeitgeist auch vor Homosexuellen nicht Halt  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Eine große Geschichte für ein kleines Zeitgeist-Blatt: die Lebenssituation der Homosexuellen in der Bundesrepublik Deutschland.

„Wären Sie bereit, im Ernstfall ihr Vaterland mit der Waffe zu verteidigen?“ fragt das Monatsmagazin 'Wiener‘ in seiner nächsten Ausgabe Deutschlands Schwule in tiefer Sorge um die Wehrbereitschaft. Und mit der Frage „Sind Sie stolz darauf, Deutscher zu sein?“ soll offenbar geprüft werden, wie es unter Homosexuellen um die rechte Gesinnung steht. Außerdem sollen die LeserInnen erfahren, wo Schwule den Sex am meisten genießen und welche Sexpraktiken ihnen am ehesten liegen.

Im Auftrag der Münchner Zeitgeist-Journalisten starteten die Tübinger Wickert-Institute im Mai eine Umfrage unter homosexuellen Selbsthilfegruppen. Zum Kreis der Befragten verrät die zuständige 'Wiener'-Redakteurin Strasser nur, es wären schwule Selbsthilfegruppen angesprochen worden, da „wo viele Schwule massiert sind“.

„Eine ziemlich dumme Umfrage“, meint Manfred Bruns, Bundesanwalt in Karlsruhe und einer der Interviewpartner für die Sensationsgeschichte. Der Erhebungsbogen strotze nur so vor „merkwürdigen Fragen, von Leuten gemacht, die ihren Klischeevorstellungen nachhängen“.

Nur rechtsgerichtete Kreise könnten bei einem solchen Fragebogen als Autoren in Frage kommen, vermuteten Schwulenverbände nach einer ersten Lektüre. „Einen wunderbaren Zeitgeistartikel“ befürchtet Micaela Riepe, Mitarbeiterin der „Deutschen Aids-Hilfe“ in Berlin. Für sie ist der Fragebogen „eine einzige Katastrophe“, der genausogut „auch von den Republikanern kommen“ könnte. Als Mitarbeiterin einer Interessengruppe, in der auch schwule Männer mitarbeiten, könne sie die „Ausforschung einer gesellschaftlich eh schon diskriminierten Gruppe“ nur vehement ablehnen. Siehe Kommentar Seite 8