Frauen in Afrika-betr.: "Kikuyu-Männer kannst du vergessen", taz vom 6.5.89

betr.: „Kikuyu-Männer kannst du vergessen“, taz vom 6.5.89

Mit steigender Verwunderung haben wir den von Christa Wichterich verfaßten Artikel gelesen. Gewiß, die darin angesprochenen Probleme:

-Frauen werden ausgebeutet durch ökonomisch von ihnen abhängige Männer,

-Frauen werden mit ihren Kindern allein gelassen und verarmen,

-die Verhütungsfrage ist ungelöst und wird auf den Köpfen der Frauen ausgetragen

bestehen. Andererseits kann die taz es sich wirklich leisten, diese Problematik in derart plakativer und pauschalierender Weise aufzugreifen?

Die Überschrift und Formulierungen wie: „Jeder Mann hier ist nur auf zwei Sachen scharf“ höre ich immer wieder. „Er will mit dir schlafen und fragt, wieviel du verdienst“, prägen auch in Anführungszeichen das Bild vom Afrikaner als geilen, faulen Lüstling. Verstärkt werden derartige Klischees durch Aussagen wie: „Kinderlose (Tote wurden) jedoch von einigen Volksgruppen den wilden Tieren überlassen.“ Welche Volksgruppen? Auch von den Kikuyus? Warum dieser Rückgriff in die Vergangenheit? (...)

Auf Erklärungsversuche aus einer erweiterten Perspektive heraus verzichtet die Autorin gänzlich. Unterschlagen wird die kulturelle Entwurzelung der Kikuyus durch die britischen Umsiedlungsmaßnahmen während der Kolonialisation und der Verlust der fruchtbarsten Ackerbau- und Weidegebiete. Darüber hinaus scheint die Einbindung Kenias in den Nord-Süd -Konflikt, die eine derartige gesellschaftliche Konstellation ja erst zu produzieren vermochte, der Autorin nicht bekannt oder von Interesse zu sein.

Michael Spöttel, im Auftrag der Fachschaft des Instituts für Völkerkunde und Afrikanistik der Uni München

betr.: „Kikuyu-Männer kannst du vergessen“, taz vom 6.5.89, Leserbrief von Laura Sasman „Afro-Frauen“,

taz vom 12.5.89

Es gibt ein chronisch schlechtes Gewissen unter „weißen“ Frauen und Männern wegen der Ausbeutung der „Dritten Welt“ und des Rassismus unserer Gesellschaft. Deswegen tendieren sie dazu, alles richtig zu finden, was AfrikanerInnen sagen und schreiben - und sich somit die Auseinandersetzung damit zu ersparen. Leicht landen sie damit in einer Art umgekehrten Rassismus.

Ich möchte demgegenüber ganz offen sagen, daß ich mich über Laura Sasmans Leserbrief geärgert habe. Christa Wichterich hat in ihrem Artikel die verschiedenen Erfahrungen von selbstbewußten Kikuyu-Frauen wiedergegeben und sich gefragt, wie sie als Europäerin dazu steht. Darin sehe ich Selbstreflexion und kann weder paternalistische Bevormundung noch gar als „Dummchen hinstellen“ darin finden. Oder ist es dumm, wenn Frauen Kinder selbstverantwortlich bekommen und großziehen und sich dabei unterstützen? Das hat uns Christa Wichterich eindrucksvoll vermittelt. Laura Sasmann erklärt nicht, wo sie die ziemlich ungeheuerlichen Interpretationen in dem Text findet.

Statt dessen reicht ihr der Hinweis, daß sie Afrikanerin ist und die Autorin „Eurofeministin“. Ich denke, daß Ethnozentrismus und Paternalismus leider auch in der Frauenbewegung verbreitet sind. Häufig trifft die Kritik in diesem Fall haut sie aber voll daneben.

Zunächst mal haben wir viele bedrückende und erschütternde Aussagen von Frauen aus Afrika über die Klitorisbeschneidung (Nawal el-Sadaawi, Raqiya Haji Dualeh Abdalla u.a.), die alle für ihre Abschaffung eintreten. Sind das auch Eurofeministinnen? Sollten wir uns nicht über Probleme auseinandersetzen, wobei die unterschiedlichen Erfahrungen und die Sichtweise zum Beispiel der Afrikanerinnen der Ausgangspunkt von Dialogen sind, anstatt allein über unsere Herkunft?

Laura Sasman fordert, daß „Eurofeministinnen... endlich einsehen, daß afrikanische Frauen in der Lage waren und sind, ihre eigenen Kämpfe auszufechten“. Dafür tritt Christa Wichterich seit langem ein. Ebenso ist sie mit als erste gegen den Export von Depro Provera in die „Dritte Welt“ und gegen Tendenzen der Bevölkerungspolitik aufgetreten. Ist es zuviel verlangt, sich vorher etwas zu informieren, ehe Sachen eingefordert werden, die sowieso schon lange passieren?

Wo ich Laura Sasman recht gebe: Der Feminismus in Europa steht vor der Existenzfrage, wie weit er sich gegen Rassismus und internationale Ungleichheit richtet. Wir können keine Befreiung für uns erhoffen, die auf fortgesetzter Ausbeutung und Diskriminierung aufbaut. Und deswegen ist der Kampf gegen Rassismus wesentlich für uns. Erst auf dieser Grundlage können die Feministinnen in aller Welt im Bewußtsein ihrer Unterschiede weiter miteinander kommen.

Ilse Lenz, Münster