Standbild: Die Stille - ein Herzschlag

■ Ein Jahr der ruhenden Sonne

(Ein Jahr der ruhenden Sonne, 20.Mai, 21.15 Uhr, N3) Ein ausgedientes Auto vor einer ausgebombten polnischen Stadt im Jahr 1946. Emilia hat ihn sich als Atelier gewählt, um ihr Rendezvous mit der Sonne auf die Leinwand zu bannen. Sie ist 40, verwitwet und erwartet nicht viel mehr, als mit ihrer kranken Mutter ein ruhiges Leben zu führen. Norman, ein amerikanischer Soldat, erleichtert auf dem Weg in die Stadt seine Blase an dem alten Auto. Erst dann bemerkt er die einsame Malerin. Verlegenheit. „I'm sorry“, er sucht ihren Blick, sie wendet sich ab.

Krzysztof Zanussi hat sich in seinem 1985 gedrehten Film die Stille als beredten Partner gewählt. Langsam wie der Güterzug, der sich zu Anfang in das Bild schiebt, entwickelt der polnische Regisseur ein Bild zweier Menschen, denen sich der Krieg in die Seele gebrannt hat. Die Verständigungsschwierigkeiten - sie spricht kaum Englisch, er kein Polnisch - verhelfen dem Film nicht nur zu verhaltener Komik, sie zeigen auch, wie sinnlos es ist, Gefühle in Worte fassen zu wollen. Die Mimik der beiden Schauspieler Maja Komorowska und Scott Wilson spricht Bände. Ihr stummer Dialog spinnt sich in den langen Einstellungen des Filmes fort, während sich die anfängliche Scheu in intensive Vertrautheit wandelt.

Norman gibt Emilia Geld, damit sie gemeinsam mit ihrer Mutter über die grüne Grenze gelangen kann. Die Mutter ist jedoch zu schwach für die Strapaze. Um wenigstens ihrer Tochter die Reise zu ermöglichen, geht sie freiwillig in den Tod. Doch Emilia entscheidet sich zu bleiben. 18 Jahre später, als Norman ihr wiederum Geld schickt, ist sie zu alt, um zu reisen.

Tragischer Liebeskitsch? Nein. Vielmehr die Geschichte zweier Menschen, die die Erinnerung an einen furchtbaren Krieg nicht abschütteln können, die wortlos vor den Scherben ihres Lebens stehen. Ihr Herzschlag ist das Tempo des Films, ihre Gesten sind seine Geschichte. Können Blicke und Mimik allein Normans quälende Erinnerung an die Gefangenschaft oder Emilias Entsetzen über den Krieg beim Anblick exhumierter, von den Nazis erschossener Piloten ausdrücken? Wer's nicht glaubt, sehe in die Gesichter Maja Komorowskas und Scott Wilsons. Ein ungewöhnlicher Film.

ming