Atomkraftwerk Würgassen erneut von AtomgegnerInnen blockiert

Würgassen (taz) - Die Zufahrtswege zum Atomkraftwerk Würgassen an der Oberweser waren am Samstag nachmittag dicht. Drei Stunden lang blockierten knapp 100 Akw -GegnerInnen die Fahrbahn. Sie spannten Transparente auf und verteilten Flugblätter, um Passanten und Ausflügler auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen: die sofortige Stillegung des Akw.

Seit Jahren weisen die Bürgerinitiativen aus der Region auf die besonderen technischen Mängel des 1972 in Betrieb genommenen Siedewasserreaktors hin. So ist das inmitten einer Tiefflugschneise gelegene Atomkraftwerk nicht mit einem Berstschutz ausgerüstet. Dreimal schrammten in den letzten zehn Jahren abstürzenden Düsenjäger nur knapp an der Reaktorkuppel vorbei. Der schwerste bekanntgewordene Störfall datiert vom Frühjahr 1973, als an einer zur Turbine führenden Frischdampfleitung vier Risse entdeckt wurden, von denen sich einer durch die ganze Rohrwand zog. Nach Untersuchungen eines Kasseler Kinderarztes ist die Leukämierate bei Kleinkindern und Neugeborenen in der Umgebung von Würgassen doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

Eine direkte Konfrontation zwischen Blockierern und der Polizei blieb am Samstag aus. Noch am Tschernobyl-Jahrestag hatten Polizeibeamte die Akw-GegnerInnen mehrfach zur Seite geräumt, um Autos den Weg ins Akw freizumachen. Vier wegen Nötigung festgenommene Blockierer waren in der Polizeiwache von Höxter erkennungsdienstlich behandelt dabei und zum Ausziehen aller Kleidungsstücke gezwungen worden. Der verantwortliche Einsatzleiter, gegen den die Bürgerinitiativen eine Dienstaufsichtsbeschwerde angestrengt haben, hat sich inzwischen schriftlich bei den Betroffenen entschuldigt. Die Blockadegruppen werten ihre Aktion vom letzten Wochenende wegen der Umdisponierungen der Gegenseite als Erfolg: „Man hat uns ernstgenommen.“ An jedem dritten Samstag sollen jetzt die Blockaden wiederholt werden.

Reimar Paul