Neuer Koalitionsstreit um Berlin-Förderung

■ Erste Pressekonferenz des neuen Wirtschaftssenators Mitzscherling: In dieser Legislaturperiode keine grundsätzliche Änderung

Die Bitte eines Pressevertreters war berechtigt: Auch wenn es schwer falle, so möge der neue Wirtschaftssenator bitte doch etwas deutlicher machen, worin sich seine Politik von der des CDU/FDP-Senats denn eigentlich unterscheide. In der Tat: Was der Leiter des Wirtschaftsressorts, Dr.Peter Mitzscherling, während seiner ersten Pressekonferenz im Amt an Ideen auf den Tisch legte, war vor allem eines: Kontinuität. Sie sei in seinem Bereich nötig, um die Arbeitsplätze zu sichern. In diesem Sinne war Mitzscherling nicht bemüht, für die fünf Säulen seiner Politik den Anspruch auf Originalität zu erheben: Schaffung neuer Arbeitsplätze, verantwortungsvolles Vorantreiben des Strukturwandels, ökologische Erneuerung, Vorbereitung auf den EG-Binnenmarkt sowie die Ausnutzung der geopolitischen Lage zwischen West und Ost. Für all dies seien die Voraussetzungen „gut, denn die Berliner Wirtschaft ist weiter auf Erfolgskurs“, stellte er nebenbei dem vorherigen Senat ein gutes Zeugnis aus.

Unbeschadet aller Träume von einem starken Dienstleistungssektor in der Stadt, der mittels modernster Telekommunikation alle Standorthindernisse überwinden soll, gilt auch für Mitzscherling: „Bei der Erneuerung der Berliner Wirtschaftsstruktur bleibt das produzierende Gewerbe auch weiterhin der entscheidende Träger wirtschaftlichen Wachstums.“ Auch wenn in den letzten vier Jahren rund 25.000 neue Arbeitsplätze in Dienstleistungsunternehmen entstanden seien, so schlage hier doch der spezielle Ablegercharakter der Berliner Wirtschaft durch: „Die geringe Zahl von Unternehmenszentralen hat im Vergleich zu anderen Ballungszentren zu einem Mangel an produktionsorientierten Dienstleistungen wie Marketing und Werbung geführt.“

Um diesen Bereich ebenso wie andere Zukunftstechnologien gezielter fördern zu können, müsse man auch langfristige Änderungen im Berlinförderungsgesetz diskutieren, wobei Mitzscherling in dieser Legislaturperiode „grundsätzliche Änderungen“ ausschließt. Modifikationen des Gesetzes seien im übrigen Sache Bonns. Und die dortigen Experten dächten bei entsprechenden Änderungen nur an Kürzungen, um die Steuerreform finanzieren zu können. Die SPD setzt auf neue Institutionen. Zur Hilfestellung für kleinere Betriebe in Sachen Export und internationale Zusammenarbeit will man ein „Euro-Info-Center“ installieren, für die High-Tech-Stadt soll eine „Europäische Technologie-Agentur“ der EG her, und in der Hoffnung auf mehr Perestroika im Osten genießt die von der Industrie- und Handelskammer initiierte Außenhandelsakademie Berlin die „volle Unterstützung“. Skeptisch ist der Senator über die Chancen einer grundlegend anderen Energiepolitik. Initiativen zum Stromeinsparen begrüße er zwar, ebenso die Errichtung alternativer Energien wie die Umstellung auf mehr Erdgas. Einen Durchbruch erwartet Mitzscherling bei alternativen Energien überhaupt nicht. Die Stellung des Stroms aus Kraftwerken bleibt unangefochten.

Uneins ist man sich beim kleineren Koalitionspartner AL über Mitzscherlings Vorstellungen zur Berlinförderung. Wirtschaftsexperte Benno Hopmann bestätigte gegenüber der taz, daß es zu diesem Zeitpunkt wohl zu riskant sei, bei entsprechenden Verhandlungen mit Bonn eher weitere Kürzungen verpaßt zu bekommen: Diskussion über spätere Änderungen etwa zur Verhinderung von geförderter Arbeitsplatzvernichtung, ja; Modifikationen in dieser Legislaturperiode, nein. Anders der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AL Bernd Köppl. Er nutzte namens der AL-Fraktion die Chance, sein altes Kriegsbeil im Kampf um baldige Novellierung des Gesetzes wieder auszugraben, das schon einmal zu Verheerungen im Koalitionslager geführt hatte. Das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht zu novellieren, so Köppl, „wäre aus der Sicht der AL nicht zu verantworten“.

Mitzscherlings Vorgänger Pieroth begrüßte natürlich das Bekenntnis zur Kontinuität, kritisierte allerdings, daß der neue Witschaftssenat als eigene Akzente lediglich neue Bürokratismen anzubieten habe: „Der technologiepolitische Beirat darf kein Gremium werden, in dem jeder über alles mitbestimmen will.“

Der Abteilungsleiter Wirtschaft beim DGB-Berlin, Hermann Borghorst, wollte in einer ersten Stellungnahme den „Optimismus“ Mitzscherlings nicht teilen und vermißte konkrete Senatskonzepte gegen die Arbeitslosigkeit.

Ulli Kulke