„WIR SCHÖPFEN NICHT DEN RAHM AB“

■ Manfred Linke, Leiter des „Internationalen Forums junger Bühnenangehöriger“ zu dessen vorgesehener Liquidierung

taz: Die Streichung des „Internationalen Forums junger Bühnenangehöriger“ im nächsten Jahr ist der letzte Streich bei der Liquidierung des gesamten Rahmenprogramms des Theatertreffens. Wie beurteilen Sie diese Reduzierung auf die Gastspielinszenierungen?

Manfred Linke: Ich halte diese Streichungen für sehr rigide und schade. Ich finde auch verkehrt, daß der Stückemarkt nicht mehr stattfindet, weil das eine ganz wesentliche Ergänzung zum Theatertreffen war. Und ich bin natürlich der Meinung, daß das Forum, das in diesem Jahr sein 25jähriges Bestehen feiern konnte - nach feiern war mir allerdings nicht zumute -, ein ganz, ganz wesentlicher Teil des Theatertreffens ist, und da ist man sich eigentlich bei den Berliner Festspielen, beim Senat und bei den Theaterleuten im Lande völlig einig gewesen.

Worin lag denn bisher die Bedeutung des Forums? Gab es zwischen den Hochglanzinszenierungen und dem Werkstattcharakter des Forums einen offenen Austausch?

Einmal konnten die Forumsteilnehmer sämtliche Aufführungen des Theatertreffens sehen und verarbeiten, das heißt hier findet eine direkte Rezeption bei den Theaterleuten statt, die ja nachher wieder zurück an ihre Heimatbühnen gehen, und da etwas weitergeben können. Das gilt auch auf der internationalen Schiene: Die Hälfte unserer Teilnehmer kommt aus dem Ausland. Die andere Verbindung ist auch eine direkte, insofern als wir Theaterleute, die beim Theatertreffen mit Inszenierungen vertreten sind, zu Diskussionen mit den Forumsteilnehmern einladen.

Inwiefern hat denn das Forum umgekehrt auf Auswahl und Zusammenstellung der eingeladenen Theater Einfluß nehmen können?

Überhaupt nicht. Die Auswahl obliegt allein der Jury des Theatertreffens, da hat niemand anderes Entscheidungsgewalt. Eine direkte Reaktion auf das Programm bei den Forumsteilnehmern findet eigentlich jedes Jahr in einem Gespräch mit der Jury statt. Inwieweit überlegungen der Teilnehmer dann in den Köpfen der Juroren etwas bewirken, ist natürlich nicht nachprüfbar.

Andererseits sind ja auch viele Absolventen des Forums später selber Regisseure oder Intendanten geworden und wieder zum Theatertreffen mit ihren Inszenierungen eingeladen worden. Ist das Forum, das ja unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet, nicht auch eine Art Inzucht zwischen dem elitären Kreis der Theatertreffen -Teilnehmer?

Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die sagen, das Theatertreffen ist eine ausgesprochene Eliteveranstaltung. Das Forum ist das sicher nicht. Wir bemühen uns natürlich, sehr gute Kräfte für die Workshops zu engagieren, aber wenn Sie sich die Teilnehmer der vergangenen Jahre anschauen, dann sehen Sie, daß wir bevorzugt - und das ist ein Prinzip der Auswahl - junge Leute von kleineren und mittleren Theatern einladen. Wir schöpfen nicht an den großen Theatern den Rahm der jungen Stars ab, sondern versuchen gerade denen eine Chance zu geben, die an ihren Theatern sehr eingespannt sind und kaum die Möglichkeit haben, über den Tellerrand ihrer eigenen Stadt zu schauen, um sich mit neuen Methoden vertraut zu machen. Wenn da Eliteleute nachher rauskommen, ist das schön. Aber wir sind nicht diejenigen, die die Theatertreffen-Macher von morgen backen.

Die Streichung des Forums wird mit der Kürzung des Gesamtetats des Theatertreffens begründet. Welchen Anteil am Gesamtetat nimmt denn das Forum ein?

Wenn der Gesamtetat des Theatertreffens dieses Jahr bei drei Millionen liegt, dann können Sie sich ausrechnen, wie sich die 75.000 Mark dazu verhalten, die die Festspiele maximal für das Forum ausgeben. Das Forum hat einen Gesamtetat von ungefähr 145.000 Mark dieses Jahr, das restliche Geld kommt aus sehr unterschiedlichen Quellen: einmal aus dem Goethe-Institut als Zuschuß für die Teilnehmer aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland, dann vom Auswärtigen Amt, von der Pro Helvetia für die Schweizer Teilnehmer, vom österreichischen Kultusministerium für die österreichischen Teilnehmer, und es kommen Mittel von diesmal neun Kultusministerien der Länder für ihre jeweiligen Teilnehmer.

Festspielmeister Eckhardt hat die Notwendigkeit von Einsparungen am Rahmenprogramm u.a. auf die Finanznot der Kommunen zurückgeführt. Haben Sie, was die Ländermittel für das Forum betrifft, von dieser Finanznot etwas mitbekommen?

Der Anteil der Ländermittel am Forum hat sich zwar nicht erhöht, aber auch nicht vermindert. Was wohl stimmen wird, ist, daß die Kommunen aus ihren finanziellen Schwierigkeiten heraus nicht mehr im gleichen Maß wie früher bereit sind, die Gastspiele ihrer Theater in Berlin zu unterstützen.

Das heißt aber doch, daß sich die Finanznot der Kommunen eher auf das offizielle Theatertreffen auswirkt als auf das Rahmenprogramm.

So würde ich das schon denken, ja.

Wie wird es denn nun weitergehen mit dem Forum? Gibt es noch Hoffnung?

Es wird bei uns in Berlin soviel Geld ausgegeben, daß ich finde, dieser geringe Anteil, den die Festspiele für das Forum zu übernehmen haben, sollte schon aufgebracht werden. Die Festspiele beziehen ja Mittel von Bund und Land. Und ich bin der Meinung, daß man ihnen auch insofern die Entscheidung leicht machen sollte, daß man eine politische Entscheidung trifft, die besagt, wir legen diesen Betrag, den das Forum kostet, dem Etat der Festspiele zu. Ich habe für Anfang Juni ein Gespräch mit Herrn Dr. Eckhardt vereinbart. Es haben auch eine Menge Theaterleute an die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten appelliert, sich für das Forum einzusetzen, und wir haben zum Ende des diesjährigen Forums den Kultur-Staatssekretär Kirchner zu einem Gespräch da gehabt. Er hat gesagt, er wird sich im positiven Sinne für eine schnelle Entscheidung einsetzen. Eine schnelle Entscheidung muß es auch insofern geben, weil ich in dem Moment, als mir die Streichung angekündigt wurde, sämtliche Verhandlungen für das nächste Jahr abbrechen mußte. Es wird also höchste Eisenbahn, denn wenn ich ein gutes Programm machen soll, dann muß ich schnellstens die fallengelassenen Fäden wieder aufnehmen dürfen.

Interview: Dorothee Hackenberg