"Ausländer" vom Dienst-betr.: DKP-Aufruf: "Für ein Europa frei von Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit", taz vom 13.5.89

betr.: DKP-Aufruf: „Für ein Europa frei von Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit“,

taz vom 13.5.89

(...) Die deutschen UnterzeichnerInnen haben neben ihren Namen ihre jeweilige Funktion, wie zum Beispiel Betriebsrat, Kreisvorstand etc. Die ImmigrantInnen dagegen werden offensichtlich über ihre Nationalität definiert. (...)

Diese Entpersonalisierung und Reduzierung auf die Nationalität haben wir inzwischen satt. Sie wird vorgenommen durch die offizielle Politik, in Maßnahmen für „Ausländer“, „Türken“ und dergleichen, in den Medien und leider auch in den Köpfen der meisten Leute als eine Selbstverständlichkeit. Die Selbstdefinierung mittels Ausgrenzung beziehungsweise Reduzierung anderer ethnischer Gruppen auf ihre Herkunft, wobei das Selbst (Deutsche/r) konstruiert wird, indem das Andere („der Ausländer“, „die Ausländerin“) definiert wird, ist ein Konzept, welches von rechts bis links fast durchgängig benutzt wird hierzulande. War es eine Zeit lang die Strategie, Deutsche zu überzeugen, daß ImmigrantInnen auch Menschen seien, so ist offensichtlich heute an der Reihe zu beweisen, daß ImmigrantInnen mehr sind als „TürkIn“ oder „GriechIn“.

Wir sind übrigens ImmigrantInnen - dies gibt wenigstens eine soziale Kategorie an - und keine AusländerInnen. AusländerInnen sind TouristInnen, Soldaten der Besatzungsmächte, überhaupt Leute, die vorübergehend hier sind oder auf der Durchreise. Wir dagegen sind Bestandteil dieser eurer Republik. Wir haben verschiedene Berufe, Klassenzugehörigkeiten, Interessen, Fähigkeiten, Persönlichkeiten, Identitäten, Kulturen... Und das kann nicht unter dem Begriff „TürkIn“, „GriechIn“, „IranerIn“ zusammengefaßt werden. Stellt euch vor, ihr würdet allesamt als nur Deutsche definiert, zusammen mit Zimmermann und den sogenannten AussiedlerInnen: alles Deutsche.

Ethnische Zugehörigkeit wird unter den Bedingungen der Migration zu einem wichtigen Faktor der Selbstbestimmung und der Identität, insbesondere um assimilationsorientierte Politik abzuwehren. Dies gibt euch aber kein recht, ImmigrantInnen darauf zu reduzieren, dies gegen uns anzuwenden. Mit dieser Vorgehensweise reiht Ihr Euch leider unbewußt in die Logik des Rassismus ein, wonach Menschen auf ihre Herkunft reduziert werden, ihrer Herkunft bestimmte Eigenschaften zugeschrieben und dann auf die Menschen aus diesen Ländern übertragen werden.

Würde es um getrennte politische Wege gehen, die eine ethnische Gruppe gehen will, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Rassismus, so würdet ihr Spaltungstendenzen aufspüren, die Gemeinsamkeit des Kampfes heraufbeschwören, womöglich AgentInnen hinter den Kulissen vermuten, oder Verschwörertheorien wiederentdecken und die obligatorischen Floskeln über Gemeinsamkeit bringen, anstatt euch ernsthaft damit auseinanderzusetzen und eure Vorstellung von Gemeinsamkeit zu überprüfen.

Geht es aber um diese Erklärung, dann dient „der Türke“ als Beweis für praktizierte Solidarität und Miteinander mit den „AusländerInnen“, die dann zu diesem Zweck auch unbedingt nur auf diese ihre Eigenschaft reduziert werden müssen. Daß sich ImmigrantInnen dafür hergeben, macht nachdenklich. Die Kolonialisierung findet weiterhin erfolgreich statt; auch in den Reihen der Linken.

(...) Wie hieß dieser Titel so schön: „Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein“. Ist auch eure Schwierigkeit, offensichtlich!

Annita Kalpaka, Hamburg