Oldenburger Landrecht

■ Richter steckte beinamputierten Krebskranken in U-Haft - jetzt wollte er Verfahren einstellen

Wie schwer es einem Richter fällt, einen Irrtum einzugestehen, demonstrierte am Oldenburger Amtsgericht Richter Goose. Der bot gestern am vorläufigen Ende eines Prozesses, nachdem sich die Anklage wie seine eigenen vielfältigen Mußmaßungen weitgehend als gegenstandlos erwiesen hatten, die Einstellung des Verfahrens an. Und hatte das Pech, in Horst B. einen couragierten Angeklagten vorzufinden, der auf Freispruch bestand. Der Staatsanwalt hatte dem Angeklagten vorgeworfen, er habe unberechtig terweise Rente und Sozialhilfe bezogen.

Zur Vorgeschichte: Horst B. hat im Oktober 1984 einen Arbeitsunfall, bei dem er ein Bein verlor. Bis Februar 1986 war er krankgeschrieben. In dieser Zeit erhielt er vom Sozialamt in Wardenburg Unterhaltsgeld, weil die Rente erst mit dem Datum der Gesundschreibung von der Berufsgenossenschaft ausgezahlt wird. Im Januar 1988 bekam er eine Ladung zum Gerichtstermin. Anklage: Betrug. „Ich wußte überhaupt nicht, was das zu bedeuten

hat.“ Sein Anwalt riet ihm, dem Termin fernzubleiben und Akten- einsicht zu beantragen. Ergebnis: Die Ausstellung und Vollstreckung eines Haftbefehles, unterzeichnet von Richter Goose. Obwohl B. inzwischen an Krebs erkrankt war, ließ Goose ihn einen ganzen Tag in der Zelle warten, um sich spät abends von der Haftunfähigkeit zu überzeugen. Der nächste Gerichtstermin so die Übereinkunft, sollte erst nach Ende der Chemotherapie einberufen werden. Horst B. schrieb im Mai 1988 dem Richter, daß er bis Ende des Jahres in den Süden fahre, „um gesund zu werden“.

Im April 1989, über vier Monate war er bereits wieder in Delmenhorst, wird er festgenommen. Obwohl Ärzte die Haftunfähigkeit bescheinigen, muß er bis zum 10.5. wg. Fluchtgefahr in U-Haft bleiben, angeordnet vom Richter Goose.

„Ich fürchte“, entfuhr es Richter Goose, nachdem der Angeklagte die Einstellung des Verfahrens abgelehnt hatte, „daß eine Wiederaufnahme für sie nicht günstiger ausfallen wird“.

anh