„Schwarze Sumpflöcher“ in fast jedem Block

■ Eine Studie des Topos Instituts ergab: Privat modernisierte Wohnungen in SO36 sind teuer, schlecht, bringen Nachteile für die Mieter

„Privatmodernisierte Wohnungen in SO36 sind zumeist teuer und von schlechter Qualität“. Dieses Fazit zog gestern Sigmar Gude vom Institut Topos, der im Auftrag von S.T.E.R.N., einer Nachfolgegesellschaft der IBA, eine Studie über die private Modernisierung und ihre Auswirkung auf Mieten, Wohnungsqualität und Sozialstruktur anfertigte hat. S.T.E.R.N. hat daraufhin einen Forderungskatalog an Bausenator Nagel entwickelt, mit dem der Misere abgeholfen werden soll.

Nur etwa ein Drittel der Mieter, so ergab die Studie, bleiben in ihren Wohnungen oder ziehen nach der renovierung wieder dort ein. Der Rest, also zwei Drittel der ehemaligen Mieter, ziehen aus. Doch nicht nur die Baumaßnahmen führen zu dieser hohen Fluktuation in den Häusern. Schuld daran sind auch die rapide steigenden Mieten. 6.40 DM - 6.80 kalt zahlen die Bewohner pro Quadratmeter in den von Topos untersuchten Häusern. Doppelt soviel wie vor den Modernisierungsmaßnahmen. Weit höhere Mieten - zusätzlich etwa 1.40 pro qm - belasten die neu eingezogenen Mieter, die zudem keinerlei Anspruch darauf haben, zu prüfen, ob der Vermieter wirklich nur die zulässigen 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umschlägt.

Etwa 20 bis 25 Prozent der Mieter in den privatmodernisierten Häusern wechseln pro Jahr die Wohnung. Hauptsächlich Studenten, junge Leute, Ausländer und Arbeitslose ziehen dann in die Wohnungen. Allein die Gruppe der Studenten beträgt laut Untersuchung 28 Prozent der Bewohner. Das „typische“ der Sozialstruktur Kreuzbergs werde also noch unterstützt, sagte dazu Sigmar Gude.

Daß die Wohnungen und vor allem die Häuser insgesamt trotz der Modernisierungen von schlechter Qualität sind, liegt daran, daß der Vermieter nur bestimmte Arbeiten auf die Miete umlegen kann. Gude berichtete von einem Beispiel, wo der Vermieter in eine Wohnung mit Außenklo eine Gasetagenheizung eingebaut habe. Notwendige Instandsetzungsarbeiten unterblieben häufig: Fassaden werden nicht renoviert, Putzarbeiten unterlassen, Leitungen und Fußböden nicht erneuert und Dächer nicht repariert, erst recht werde nichts gegen Wasserschäden und Schimmelbildung unternommen.

Keine öffentliche Kontrolle

Mehr als 2.500 Wohnungen wurden in den letzten 10 Jahren aus privaten Mitteln modernisiert. Genauso viele wie aus öffentlichen Mitteln. Man beobachte grade in den letzten Jahren ein steigendes Interesse der Vermieter an dieser Form, erklärte der Betreuer der Studie, Wulf Eichstädt. Der Grund liege auf der Hand. Die Vermieter entzögen sich damit der öffentlichen Kontrolle. „Wenn der eine Heizung einbauen will, muß er niemandem Bescheid sagen außer seinem Klempner“, meint Gude und beschreibt damit die Schwierigkeiten der Behörden, die Hausbesitzer zu kontrollieren. Das Berlinförderungsgesetz bietet darüber hinaus günstige Abschreibungsmöglichkeiten. Innerhalb von 8 Jahren hat der Vermieter 100 Prozent der Kosten steuerfrei.

Mieter wehren sich kaum

Letztendlich sind jedoch hauptsächlich die Mieter die Leidtragenden. Ulli Lautenschläger, Mieterberater beim Verein SO36, berichtet, daß häufig keinerlei Informationen über bevorstehende Renovierungsarbeiten an die Betroffenen gegeben würden. „Plötzlich stehen bei den Leuten die Handwerker in der Wohnung und wollen rein“. Sich dann noch zu wehren sei schwer und damit kalkulierten natürlich auch die Hausbesitzer.

Was nun tun angesichts der Situation? S.T.E.R.N. fordert die Änderung des Berlinförderungsgesetzes. Vermieter müßten verpflichtet werden, Modernisierungen im Rahmen eines Sozialplanverfahrens durchzuführen. Wulf Eichstädt dazu: „Schließlich handelt es sich bei den Steuervergünstigungen um eine Art öffentlicher Subvention, da kann sich der Staat durchaus Kontrollrechte vorbehalten“. Überlegt werden müsse auch, ob man, wie in einigen westdeutschen Städten praktiziert, eine „Milieuschutzverordnung“ erlassen könne. Modernisierungen dürften dann keine unerwünschten Auswirkungen auf die Sozialstruktur in einem Bezirk haben. Trotzdem blieben immer noch die „schwarzen Sumpflöcher“ in jedem Block. Häuser, in denen entweder der Vermieter unwillig oder nicht in der Lage ist, die Modernisierung abzuwickeln. Hier meint Eichstädt, müsse der Staat seine ideologischen Vorbehalte aufgeben und selbst tätig werden, die Häuser aufkaufen.

bf