RAF-Anwalt Johannes Pausch kriegt Zunder

Umstrittene Äußerungen im ZDF-Interview sind Auslöser für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen / NRW-Justizminister soll persönlich interveniert haben / „Wenn ich hingehe, Herr Pausch, und werfe eine Bombe...“ / Anwaltliche Zulassung steht auf dem Spiel  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Gegen den Verteidiger des RAF-Gefangenen Helmut Pohl, den Düsseldorfer Anwalt Johannes Pausch, sind wegen seiner Äußerungen im ZDF-Magazin „Studio 1“ staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet worden. Wie das Düsseldorfer Justizministerium am Dienstag bestätigte, hat der Generalstaatsanwalt Anfang dieser Woche ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts „standeswidrigen Verhaltens“ gegen Pausch eingeleitet. Pausch hatte in dem ZDF-Interview Gewalt gegen Sachen als Mittel politischen Protestes in bestimmten Situationen für zulässig erklärt. Nach Abschluß dieser Ermittlungen, die vom nordrhein -westfälischen Justizminister Krumsiek (SPD) persönlich veranlaßt worden sein sollen, muß der Generalstaatsanwalt über Konsequenzen entscheiden.

„In einem gravierenden Falle“ werde gegen den Pohl -Verteidiger möglicherweise Anklage vor dem Ehrengerichtshof für Anwälte in Düsseldorf erhoben“, erklärte der Krumsiek -Sprecher. Auch die anwaltliche Zulassung steht auf dem Spiel. Darüber hinaus wird in der Strafrechtsabteilung des Justizministeriums geprüft, ob gegen Pausch auch „unter strafrechtlichen Gesichtspunkten“ ermittelt werden müsse. Es gilt als sicher, daß in einem solchen Fall wegen Paragraph 129a „Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ ermittelt würde.

Pausch hatte in dem ZDF-Interview vergangene Woche auf die Frage, ob er Gewalt gegen Sachen für legitim halte, erklärt: „Es gibt Situationen, in denen man davon ausgehen kann.“ Und auf eine weitere Nachfrage sagte er: „Beispielsweise, wenn eine Situation entstanden ist, in der, sagen wir mal, schreiendes Unrecht durch friedliche Proteste nicht beeinflußt werden kann.“ Auf die Frage, wer entscheide, ob schreiendes Unrecht vorliege, erklärte der Anwalt: „Diejenigen, die sich dagegen wehren, selbstverständlich.“

Der Pohl-Verteidiger räumte ein, daß es in diesem Staat „sicher sehr viele“ Mittel gebe, um friedlich seinen Protest öffentlich zu artikulieren. Zugleich äußerte er jedoch „dafür Verständnis, daß es Menschen gibt, denen das nicht ausreicht, die diese Möglichkeiten wahrgenommen haben, auf der anderen Seite feststellen, daß sich aufgrund ihrer politischen Analyse nichts verändert hat - die dann zu anderen Mitteln greifen.“ Danach entwickelte sich in dem ZDF -Gespräch folgender Dialog:

Frage: „Wenn ich hingehe, Herr Pausch, und werfe eine Bombe mit den Worten 'dies dient dem Frieden‘, bin ich anschließend, wenn ich erwischt und verurteilt worden bin, wirklich und nach Ihrer Ansicht ein politischer Gefangener? Bin ich für meine Gesinnung bestraft worden?“

Pausch: „Wenn es so wäre, ist es in einem Ausmaß banal, daß ich jetzt keine Bewertung dafür finde. Und es ist ja nicht so undifferenziert vorgegangen worden in der Vergangenheit. Es ist ja sogar bei Tötungsdelikten immer eine Erklärung abgegeben worden, die einen politischen Inhalt hatte. Ob sie verstanden wird, ist eine andere Frage.“

Frage: „Wenn man einen Zettel neben die Leiche legt, dann ist die Tat gerechtfertigt?“

Pausch: „Dann ist sie zumindest politisch erklärt worden.“

Frage: „Was heißt das dann?“

Pausch: „Es genügt oder es genügt nicht. Das müssen die entscheiden, gegen die sich die Tat gerichtet hat, und die, die sie kommentieren.“

Frage: „Also, nochmal: der Zettel neben der Leiche, und die Sache ist erledigt?“

Pausch: „Es geht nicht um den Zettel, es geht um den Kontext, der damit hergestellt wird. Wenn Sie Geschehnisse aus der Vergangenheit nehmen, wo Menschen getötet worden sind, dann ist zu diesen Personen ja auch etwas gesagt worden. Das heißt, aus der Sicht derer, die das gemacht haben, ist erklärt worden: Warum liquidieren wir diese Person, für wen steht diese Person, welche Politik hat sie zu verantworten...“

Rechtsanwalt Pausch erklärte am Dienstag, er sei von nicht unterrichtet worden, daß seine Äußerungen zu standes- oder strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn führten. Deshalb wolle er sich inhaltlich dazu derzeit nicht äußern, sondern zunächst Mitteilungen der Behörden abwarten. Er sehe gegenwärtig auch keine Veranlassung, etwas von seinen Interview-Äußerungen zurückzunehmen oder zu erläutern.%% Siehe Kommentar Seite 8