„Du Scheiß-Senator!“

Eine abgebrannte Kita, ein begehrtes Freizi und Henning Scherfs Hilflosigkeit  ■ 

Foto: Jörg Oberheide

„Mensch, heute sind ja gar keine kleinen Kinder da, denen er nett über den Kopf streicheln kann“, unkte eine junge Frau am Montag abend im Freizeitheim („Freizi“) Thedinghauser Straße. „Er“, das war der Sozial-und Jugendsenator Henning Scherf. Aber dem war nicht nach Charme. Ein ganz ungewohnt schroffer, verbiesterter Henning Scherf in aggressiver Verteidigungsposition brachte in Minutenschnelle auch die, die Hoffnung auf ihn gesetzt hatten, vollends gegen sich auf.

Seit am 30. April das Kindertagesheim (Kita) Thedinghauser Straße in der Neustadt ausgebrannt ist, sind 132 Kinder unversorgt - also seit fast vier Wochen. Für 30 von ihnen wurde ein „Notproggramm“ organisiert, die anderen pendeln zwischen Oma, Nachbarn und den überwiegend berufstätigen Müttern, Vätern oder Eltern (52 Prozent Alleinerziehende). Bis das Kita „größer, schöner und für Integration viel besser geeignet“ (Scherf) wieder aufgebaut ist, also für 1,5 bis 2 Jahre, sollten die Kleinen nun nach den Plänen der Sozialbehörde im nahegelegenen Freizi Thedinghauser Straße untergebracht werden. Eben dies stieß schon vor zwei Wochen auf den klaren Widerstand sowohl der Freizi-Jugendlichen und - MitarbeiterInnen als auch der Kita-Eltern und KollegInnen. Es steht ein Angebot aus dem Freizi: Bis zu den Sommerferien können die Kinder hier rein, danach müssen sie in Mobilbauten („Container“) untergebracht werden, die schnellstens aufzustellen sind.

Als Scherf die Arbeitsergebnisse seiner Behörde darlegen sollte, zankte er erstmal los: „Ich hab mich jetzt nicht vorgedrängt und alle totgeredet - das will ich klarstellen, wo Radio Bremen hier mitschneidet!“ Also die Container-Idee, die wollte er sich wohl zu eigen machen und auch der Deputation am Freitag vorschlagen - Standort: der Bolzplatz des Freizi. Selbst den wollten die Freizis wohl hergeben aber nur mit der „schriftlichen Zusage“, daß nach den Ferien der Freizi-Betrieb voll wieder aufgenommen werden könne und sämtliche Kita-Kinder dann weg und in Mobilbauten sind. Hintergrund: Weil „drei Freizeitheime auf der Abschußliste des Senats stehen“, so die Freizis, befürchten sie lang-und wirksame Austrocknung ihrer Arbeit.

Nach kurzer Zeit war die Stimmung im Saal schlachtfestartig. Anstatt die Kompromißbereitschaft der Freizis anzuerkennen, verschanzte sich Scherf („wenn Sie das nicht konkret finden, ist das Ihr Problem“) und riet einem alleinerziehenden Vater: „Sie sollten die Leute hier nicht so langweilen.“ Ein Mann aus dem Publikum riß Scherf im Gegenzug mitten im Satz das Mikrofon aus der Hand: „Sie wollen uns verscheißern!“ Nicht zu erfahren war vom Senator auch nach dreiwöchiger Bearbeitungsdauer, wann wieviele Container bezugsfertig sein werden. Nicht geprüft wurden offenbar die beiden benachbarten Schul-Grundstücke als geeignete Standorte - sie fallen ins Bildungsressort.

Um halb zehn erklärten die Freizis ihr Haus für „besetzt“ und stellten sich mit ihrem Transparent ins Tor und dem fluchtartig hinwegradelnden Senator in den Weg. Der fuhr fast hinein, rangelte mit den Kids um das Stück Laken und riß es ihnen schließlich weg. Die brüllten ihm hinterher: „Du Scheiß-Senator!“

S.P.