„Unbedeutende Kreisstraße“

■ Transitübergang Schichauweg trägt neuen Zündstoff in die Senatskoalition / Die AL plädiert gegen den Übergang, Verkehrssenator Wagner ist dafür

Nach dem Deutschen Historischen Museum, dem Rudolf-Virchow -Klinikum und dem Stromlieferungsvertrag trägt nun ein weiteres Prestigeobjekt des alten Senats Streit in die rot -grüne Koalition: der mit der DDR vereinbarte Transitübergang am Schichauweg in Marienfelde. Am Mittwoch abend hat sich der Delegiertenrat der AL gegen den Neubau eines Übergangs an dieser Stelle ausgesprochen. Verkehrssenator Wagner (SPD) will dagegen, wie die taz jetzt zuverlässig erfuhr, an dem Standort festhalten, wenn auch in leicht veränderter Form. Daß die DDR noch einmal mit sich über den Grenzübergang verhandeln läßt, gilt den Koalitionspartnern als sicher. Der verkehrspolitische Sprecher der AL-Fraktion, Michael Cramer, erklärte gestern, der Transitübergang sei „verkehrspolitisch überflüssig und ökologisch katastrophal“. Statt des Übergangs am Schichauweg fordert die AL, in Nachverhandlungen mit der DDR eine Öffnung des Übergangs Waltersdorfer Chaussee für den PKW -Verkehr anzustreben. Außerdem soll der westliche Teil des Berliner Rings für den gesamten Transitverkehr zugänglich gemacht werden.

In der Senatssitzung am Dienstag wird Verkehrssenator Wagner jedoch erneut den Schichauweg als den geeignetsten Standort vorschlagen. Im Unterschied zur bisherigen Planung soll nach Wagners Modell die Marienfelder Feldmark auf westlicher Seite von Straßenneubauten verschont werden. Im Einklang mit einem alten SPD-Vorschlag soll der Übergang etwa dort in die Mauer gebrochen werden, wo der Schichauweg auf die Stadtgrenze trifft. Die Abfertigungsgebäude sollen, so die Idee, komplett auf DDR-Gebiet entstehen, das von West -Berlin gekauft werden müßte.

Nicht nur die AL lehnt diese Idee ab, auch Staatssekretär Groth von der AL-geführten Senatsumweltverwaltung machte gestern „Vorbehalte“ geltend. Groth fürchtet eine Verlärmung der Felder und zusätzliche Verkehrbelastungen für Marienfelde. Ökologische Bedenken hat der Staatssekretär auch gegen die neun Kilometer lange, autobahnähnliche Straße, die vom Grenzübergang auf DDR-Seite zum Berliner Ring gebaut werden soll. Auch sie würde auf Kosten von Feldern gehen und stünde, so Groth, „in keinem Verhältnis“ zum erwarteten Verkehrsaufkommen, das eher einer „unbedeutenden Kreisstraße“ entspräche. Verkehrssenator Wagner erwartet, daß täglich etwa 3.000 Autos den Übergang nutzen werden, etwa zehn Prozent des Aufkommens von Dreilinden. Die Zahl von 450 LKWs, die in dieser Rechnung enthalten sind, könnte überdies Mitte der neunziger Jahre reduziert werden. Dann könnte nämlich die neue Schnellbahn nach Hannover einen Teil des Güterverkehrs übernehmen.

Zwei andere Standorte, Buckower Damm und Marienfelder Allee, scheiden sowohl für Wagner als auch für die Umweltverwaltung aus: Diese Trassen würden sowohl auf Ost als auch auf Westberliner Seite durch Ortschaften beziehungsweise Wohngebiete führen.

hmt