IHK fürchtet „Kriminalisierung“

■ Umweltsenatorin Schreyer ließ 439 Abfall- und Recyclingbetriebe gleichzeitig überprüfen / Verdacht illegaler Abfallbeseitigung / Die Branche ist entrüstet

In einer bislang einmaligen Großaktion ließ Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) gestern 439 Betriebe gleichzeitig überprüfen. Hintergrund: Aufgrund von Hinweisen aus der Berliner Recyclingbranche stehen einige Recyclingbetriebe unter dem Verdacht, Abfälle illegal zu entsorgen.

An dem gut vierstündigen Einsatz waren neben 36 Mitarbeitern der Senatsumweltverwaltung auch sieben Wirtschaftsprüfer und 1.000 Polizeibeamte beteiligt. Der schwer geschockten Industrie- und Handelskammer (IHK) war gestern „bundesweit nicht ein einziges Beispiel bekannt, in dem eine Verwaltungsbehörde mit einer solchen Rigorosität gegen alle Firmen einer Branche vorgegangen ist“.

Überprüft wurden Firmen, in denen gefährliche flüssige Abfallstoffe anfallen. Ein Schreyer-Sprecher nannte als Beispiel Reprofirmen und Druckereien. Überprüft wurden außerdem sieben Firmen, die sich auf das Recycling dieser Stoffe spezialisiert haben. Gegen sie richtet sich der Verdacht, verunreinigte Lösemittel und Nitroverdünner nicht ordnungsgemäß entsorgt zu haben, sondern als Wirtschaftsgut gewinnbringend weiterverkauft zu haben. So sollen die giftigen Chemikalien zum Teil als Brennstoff nach Polen gewandert sein.

Neben Abfallzwischenlagern überprüften die Umweltkontrolleure auch die Abfallscheine und Geschäftsunterlagen der Betriebe, um zu ermitteln, welche Wege die Abfälle genommen haben. Für den Abtransport der Unterlagen waren 500 Umzugskartons bereitgestellt worden. Hinweise auf illegale Praktiken bei der Abfallentsorgung gebe es schon länger, sagte Umweltstaatssekretär Groth. Diese Praktiken seien vom alten CDU-FDP-Senat „in einigen Fällen wahrscheinlich geduldet worden“.

Die IHK protestierte gestern „mit äußerster Entschiedenheit gegen die Kriminalisierung einer ganzen Branche“. Der Anwalt einer durchsuchten Firma beschimpfte die Schreyer -Mitarbeiter als „Handlanger einer anarchistischen Gururegierung, die die Berliner Wirtschaft kaputt machen will“.

hmt