„...ist es leider zur Spaltung gekommen“

Je stärker die Rechtsradikalen, um so heftiger die Querelen unter den antifaschistischen Bündnissen / Ein Fallbeispiel  ■  Aus Friedrichshafen Holger Reile

Der Zulauf war spärlich, aber länderübergreifend. „Wenn irgendwo im Bodenseegebiet der Frey auftritt, bin ich dabei.“ Für die DVU-Kundgebung am Dienstag abend in Friedrichshafen hat sich der jovial aussehende Bregenzer extra freigenommen. Da saß er nun, im Handgepäck die Butterstullen, die Daumen in die schwarz-rot-goldenen Hosenträger verwickelt. Daneben ein paar kahlgeschorene Skinheads aus dem oberschwäbischen Hinterland, die sich freiwillig als Saalordner angeboten haben. Eine fast schon beschauliche Szenerie, eingelullt von einem schwülwarmen Frühsommerabend.

Keine hundert Meter vom Graf-Zeppelin-Haus entfernt sammelten sich ebenso spärlich Mitglieder vom „Antifaschistischen Bündnis Friedrichshafen und Umgebung“ (AfB). Zwischen DVU und GegendemonstrantInnen Absperrgitter und etwa zwei Hundertschaften Polizei, die an diesem Abend am stärksten vertretene Berufsgruppe. Etwa 80 AntifaschistInnen hörten sich dann kurze Reden an, eine Sambagruppe sorgte kurzfristig für Rhythmus, etliche TouristInnen fanden sich ein und schunkelten mit, in der Annahme, der Fremdenverkehrsverein habe sich heute mal etwas Besonderes einfallen lassen. Karl Schweizer vom AfB beklagte, daß der DGB im Vorfeld der DVU-Veranstaltung nicht bereit gewesen sei, eine gemeinsame Aktion durchzuführen, so sei es „leider zu einer Spaltung gekommen“. Ein Cafe läßt die Rolläden herunter, „vorsorglich“, sagte die Bedienung, „wir trauen dem Frieden nicht“. Doch über allen Geistern herrschte Ruh‘. Der sichtlich gestreßte Versammlungsleiter der DVU verkündete schließlich, daß Gerhard Frey auf ärztliches Anraten zu Hause geblieben sei, um seine Stimme für die Passauer Veranstaltung kommendes Wochenende zu schonen. Als Notnagel hat Papa Frey Sohn Gerhard an den Bodensee geschickt, ein blasses Bürschlein mit dem Charisma eines leeren Schirmständers. In der Halle lieferten sich dann AntifaschistInnen und DVUlerInnen diverse Lärmduelle, um 21.30 Uhr war alles vorbei, die Parteien zogen in die Biergärten.

Bereits zwei Stunden früher hatte in der Innenstadt unter der Federführung des DGB eine andere DVU-Gegenveranstaltung stattgefunden. Auch hier war der Zulauf dürftig, das DGB -Bündnis „Oberschwaben gegen rechts“ ist bislang noch ein loser Zusammenschluß, vornehmlich von DGBlerInnen. Der Kreisvorsitzende Karl-Heinz Lunow hält allerdings eine „gemeinsame Arbeit“ mit dem AfB „für wünschenswert und notwendig, wobei aber neben anderen Gruppierungen auch die CDU mit an den Tisch muß“.

Im Kreis Konstanz geht diesbezüglich gar nichts mehr. Der DGB hat seine Mitgliedschaft im Konstanzer Antifa-Komitee aufgekündigt. Knackpunkt war hier der Streit um die Mitarbeit der Jungen Union. Während der DGB dafür war, zogen vor allem autonome und revolutionäre Zirkel einen Trennungsstrich. „Sicherlich“, so der Konstanzer DGB -Jugendreferent Helmut Mors, „hat die JU rechte Ränder“, aber wenn die Mehrheit der JU an einer Mitarbeit interessiert sei, solle man sich nicht dagegenstellen. „Die JU ist revanchistisch“, tönte es aus der anderen Ecke, außerdem sei „Faschismus nicht nur mit jugendlichen Neonazis gleichzusetzen, sondern in Verbindung mit Ideologie und Praxis des BRD-Staates und seiner Apologeten“ zu bringen. Für die Konstanzer DGB-Kreisvorsitzende Gisela Reitzammer ist der Zug jedenfalls abgefahren. „Wir können und wollen nicht jeden Konservativen als Nazi bezeichnen, und allein Infostände der NPD umzuschmeißen ist auch keine konstruktive Politik.“

Aus anderen politischen Gruppierungen wird mittlerweile ebenfalls harsche Kritik an der Vorgehensweise des geschrumpften Antifa-Komitees laut. „Wer als 'echter Antifaschist‘ gelten will“, so einige Grüne, „muß erst vor dem Volksfront- und BWK-ZK bestehen.“ Damit hat der Tuttlinger DGB-Kreisvorsitzende Heinz Geyer keine Schwierigkeiten. In einem „Komitee gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassenhaß“ sind alle relevanten Gruppen bis hin zur FDP zusammengefaßt. Einzig und allein die CDU steht außen vor, weil sie eine Zusammenarbeit mit der VVN ablehnt. „Das ist das Problem der CDU“, sagt Geyer. Seine Aktivitäten werden auch von der Stuttgarter Zentrale mit Wohlwollen beäugt. Der stellvertretende DGB -Landesvorsitzende Mantz bescheinigt den Tuttlingern, „gute Arbeit“ zu leisten. Heinz Geyer hat auch den „Arbeitskreis überregionale Antifa-Komitees“ ins Leben gerufen. Mittlerweile sitzen zehn DGB-Kreise aus ganz Baden -Württemberg an einem Tisch und arbeiten daran, „wie über Demos und martialisches Gehabe hinaus der Rechtsradikalismus bekämpft werden kann“.