FARBIG HEIßT SCHWARZWEIß

■ Fotos von Gordon Parks im Amerika-Haus

Ihr stolzer und harter Blick bohrt sich durch eine Zeit von beinahe 20 Jahren: Kathleen Cleaver sitzt aufrecht neben ihrem Mann Eldridge. Das Bild zeigt zwei Menschen im Jahre 1970, das heißt: im doppelten Exil. Die beiden Wortführer und Kämpfer des radikalen Flügels der Black-Panther-Bewegung verbannt. In Algier. Fotodokument. Dennoch: Wie ein Faustschlag bricht die Direktheit des farbigen Fotografen Gordon Parks durch das Panzerglas aller Geschichtlichkeit. Parks Fotografien sind keine Erinnerungslücken für das Album. Sie sind Nahkampfwaffen im Stellungskrieg der Zeiten und Perspektiven: gestern und heute, schwarz und weiß. So lange dieser Krieg dauert, solange zeigen alle Bilder Parks die Gegenwart.

Gordon Parks wurde 1912 als 15. Kind eines schwarzen Farmers in Kansas geboren. Nach dem Tod seiner Mutter fällt die Familie auseinander. Parks schläft nachts in pendelnden Straßenbahnen. Parks jobbt als Hilfskellner eines Speisewagens. Er liest die liegengelassenen Zeitungen. Fast eine Allegorie: Parks will nicht mehr im weißen Zug der Zeit den Diener spielen. Bei allen Fotografen war die erste Kamera die billigste... Aber: Wenig später ist Parks der erste farbige Fotograf beim amerikanischen Upper-Class -Magazin „Life“. Parks hat die Seiten gewechselt, aber nicht die Perspektive.

Sein Hauptarbeitsmittel ist nicht die Kamera, mit der er fotografiert, sondern die Distanz, die zwischen Objektiv und Wirklichkeit liegt. Selbst in seinen Nahaufnahmen richtet Parks diese Strecke so lang ein, daß kein Schein sie überdauert. Das ist das Geheimnis von Unüberwindbarkeit und Nähe zugleich: 1950 fotografiert Parks weiße Mode für weiße Frauen. Das Mannequin hat seine zarten Glieder so drapiert, daß der Chiffon aus jeder Pore Verführung atmet, aber Gordon Parks erlegt die Stimmung mit nur einem Schuß, sein Bild zeigt zynisch die Selbstinszenierung der Modeleichen. Paris Fashion.

Im gleichen Jahr fotografiert Parks eine portugiesische Bettlerin mit ihrem Kind, ihr Arm streckt sich der Kamera entgegen, ihr eingefallenes Gesicht ist dem Nichts zugewandt, aber die Zielgerade des Blicks trifft nicht ins Herz, sondern in den Kopf, das Bild zeigt nicht den einzelnen Körper der Armut, sondern die Gelenke des Elends.

Gordon Parks Fotografien sind vor allem eines: Bilder eines abwesenden Fotografen. Nirgends dirigiert er den Zuschauer auf einen beabsichtigten Platz, gibt ihm die Sicherheit eines Standpunktes, von dem aus er das Gesehene in den Griff bekommen könnte. Diese Bilder der Wirklichkeit kann man nicht anschauen, man wird von ihnen angeschaut, und deshalb ist nicht der Betrachter beim Anblick dieser Bilder betroffen, vielmehr spiegeln die Bilder ihr Entsetzen vor dem Betrachter. „Gordon Parks - 40 Jahre Fotografie“, das ist nicht die Zurschaustellung der Beute eines Motivjägers, sondern der dauernde Anschlag eines Motivtäters. Tatwaffe: der kalte Blick.

Rainer Maria Bilka

Die Ausstellung im Amerika-Haus Berlin ist bis zum 24.6., Mo, Mi, Fr 11-17.30 Uhr, Di und Do 11-20 Uhr, Sa 11-16 Uhr, außer an Feiertagen und am 29.5. geöffnet. Der Eintritt ist frei.