„Über Frauen hinterm Lenkrad wird gefrotzelt“

Gespräch mit der Taxifahrerin Bärbel, die in einem Kleinbetrieb mit sechs Taxen jobbt / Taxifahren, ein Nebenjob zum Beispiel für Frauen mit Kindern / Die Trennscheibe in den Taxis sollte wieder eingeführt werden  ■ I N T E R V I E W

taz: Bärbel, gehörst du auch zu den TaxifahrerInnen, die auf Fahrgäste sauer sind, wenn die nur zwei Ecken weit wollen?

Bärbel: Nee, also ich fahr‘ die dann schon ihre zwei Ecken, aber ich selbst steige in ein hinteres Taxi an der Taxihalte, wenn ich 'ne Kurzstrecke als Fahrgast fahre.

Wieso jobbst du eigentlich als Taxifahrerin?

Ich arbeite in einem Kleinbetrieb mit sechs Taxen, Besitzerin des P-Scheins bin ich seit drei Jahren. Ich habe ihn damals gemacht, weil meine Tochter Neurodermitis hatte und nicht in den Kindergarten konnte. Ich saß sehr lange zu Hause und dachte: Ich werd‘ verrückt. Und dann habe ich mich auf eine der vielen Anzeigen gemeldet.

Und seitdem fährst du als „feste“ Nebenjobberin?

Ich hab‘ dann einen Kinderladen für meine Tochter gefunden und wollte studieren und Taxifahren, doch ich hab‘ mir überlegt, daß der P-Schein mich soviel Zeit und Kraft gekostet hat, daß er sich auch auszahlen sollte, und dann bin ich nur noch Taxi gefahren, und es hat mir auch Spaß gemacht.

Hat dir denn das Büffeln für den P-Schein später beim Fahren etwas genutzt?

Ich habe vier Monate lang nichts anderes gemacht als Straßen gelernt und den Taxikurs besucht, weil man im Kollektiv besser lernt und zur Lerndisziplin gezwungen ist, aber ich brauche auch jezt noch öfters den Stadtplan. Aber das geht, mein ich, den meisten FahrerInnen so.

Stehst du eigentlich oft an der Halte?

Also, ich fahr‘ meistens sieben Stunden am Tag, so zwischen 9 und 16 Uhr, und es kommt schon vor, daß ich davon drei Stunden an Halteplätzen stehe. Es ist eben die beschissenste Fahrzeit für Taxis. Nachts oder abends, wenn die Straßen frei sind und die Leute unterwegs, kann man besser verdienen und zügiger fahren, aber ich habe nachts so schräge Dinger erlebt, daß ich nicht mehr in der Nacht fahre. Ich fühle mich unsicher.

Würdest du Frauen raten, nachts nur mit Fahrerinnen zu fahren?

Das halte ich für übertrieben, es gibt auch bei den männlichen Fahrern ein Berufsethos, und ich hab‘ noch nicht gehört, daß ein Fahrer weibliche Passagiere angemacht oder gar vergewaltigt hat. Nachttaxis für Frauen finde ich gut, das sollte endlich gesetzlich dauergeregelt werden.

Wie erklärst du dir den Wahnsinnswerbeaufwand der Taxiunternehmen, um neue FahrerInnen auszubilden?

Das ist doch ganz einach: Die ausbildenden Betriebe suchen keine Festfahrer, sondern Studenten und Nebenjobber, weil für die keine Abgaben entrichtet werden müssen, die sind woanders versichert. Außerdem gibt's bei Studis immer Fluktuation, die Leute sind irgendwann keine Studenten mehr, es besteht also immer Bedarf an Nachschub.

Viele TaxifahrerInnen fahren wie die Henker. Welches Verhältnis haben TaxifahrerInnen generell zur Straßenverkehrsordnung?

Ich fahre stets sehr normal, allerdings fährt ja sowieso kein Autofahrer 50 in der Stadt. Ich habe oft bemerkt, daß, wenn ich das Taxi-Schild auf dem Auto habe, die anderen Fahrer mir die Vorfahrt lassen, sie rechnen also damit, daß ich blinke und rüberziehe. TaxifahrerInnen fahren durch die Praxis wahrscheinlich etwas virtuoser als andere.

Nimmst du Betrunkene mit?

Ich sehe da genau hin: Wenn sie fröhlich sind, gut drauf und es noch schaffen, sich ins Taxi zu setzen, dann ja. Aber einmal mußte ich zu 'ner Kneipe, und da kamen dann zwei tierisch Besoffene raus, die stritten sich um die Taxe und haben sich schließlich die Gesichter blutig geschlagen und lagen auf dem Boden. Die brauchten eher einen Krankenwagen. Also, bei sowas fahr‘ ich weg.

Gibt es zwischen den Taxipapas mit Bierbauch und BZ -Aufkleber und den Studi-Fahrern mit taz-Aufklebern an der Droschke sowas wie Frotzeleien, oder dominiert da eher die Kollegialität?

Also über Frauen wird mitunter ganz schön gefrotzelt, wobei die älteren Frauen, die ein eigenes Taxi haben, wiederum mit den alten Festfahrern in einer Gruppe an der Säule stehen und reden und lachen. Was so Begriffe wie „links“ oder „bürgerlich“ betrifft, gibt's schon auch Anspielungen, wenn ein Studi über Funk fragt: „Helft mir mal, ich find das nicht“, heißt es mitunter: „Setz dich doch lieber in die Mensa und nicht ins Taxi, Mann.“ Aber Kollegialität ist da auch vorhanden, es ist ambivalent.

Dein schlimmstes Erlebnis?

Eine meiner ersten Fahrten. Da krakelte ein Besoffener früh um sechse am Hermannplatz entlang, alle Taxis machten die Türknöpfe runter, ich auch, aber leider nur hinten, und plötzlich saß der neben mir, ganz naß die Hose, ihn rauszuwerfen traute ich mich nicht, und in Wilmersdorf stieg er dann aus und bezahlte nicht. Ich hätte über Funk Kollegen oder die Polizei rufen können, aber da wär‘ der längst weg gewesen. Heute würde ich einfach weiterfahren bis zum nächsten Halteplatz, solange der Wagen fährt, steigt keiner aus, und dann reden die Kollegen mal mit dem Typ.

Wie gehst du mit der Männer-Anmache um?

(Lacht): Na, das kommt darauf an, ist er nett, schüchtern, originell oder 'n Fiesling. Aber so einen kleinen Flirt während der Fahrt, gemeinsam lachen... Das kommt eben auf den Typ an.

Interessierst du dich für deine Fahrgäste?

Na, ich interessier‘ mich schon, viele reden auch nur übers Wetter: Gestern war's schlecht, heute ist es besser. Aber wenn man z.B. Leute vom Flugplatz abholt, das ist schon manchmal interessant: was die hier machen, welche Geschäfte oder Aufträge die haben. Einmal hat mir eine Frau erzählt, daß sie früher mal aus dem fünften Stock gefallen ist, alles kaputt, außer dem Kopf. Aber Taxifahren ist auch so eine Art sozialer Job: TaxifahrerInnen als Ansprechpartner.

Was hältst du von der Trennscheibe?

Ich fände es nicht schlecht, wenn sie wieder eingeführt würde, gerade bei dem steigenden Anteil an Taxifahrerinnen. Die Scheibe wäre immer noch der beste Schutz gegen Angriffe von hinten.

Gute Fahrt, Bärbel!

Interview: Michael Sallmann