„Eine ungewöhnlich starke Algenblüte“

■ Ulrich Horstmann, Meeresbiologe der Universität Kiel, über die alarmierende Vermehrung einer „alten Bekannten“

taz: Sie haben alarmierende Algenkonzentrationen in der Ostsee gemessen. Was sind Ihre Ergebnisse?

Ulrich Horstmann: Wir haben in der Flensburger Förde nach Hinweisen von besorgten UrlauberInnen das Wasser untersucht. Es ist dort braun-rötlich, und wir fanden eine ungewöhnlich starke Blüte der Alge „Heterocapsa Triqueta“. Diese Alge ist eine alte Bekannte.

Wie gefährlich ist sie?

Das starke Wachstum führt zunächst zu einem erheblichen Sauerstoffdefizit. Das konnten wir bei Messungen bereits nachweisen. In der Literatur ist „Heterocapsa Triqueta“ schon einmal als toxisch (giftig, d. Red.) beschrieben worden. Wir glauben, daß diese Alge - je nach Unterart manchmal toxisch ist, manchmal aber auch nicht. Wir haben bei einem Versuch Stichlinge dem Wasser ausgesetzt und dabei gesehen, daß diese Fische doch sehr schnell starben. Wir hatten in bestimmten Wassertiefen Algenkonzentrationen von 60 bis 80 Millionen Zellen pro Liter gemessen. Das sind außerordentlich hohe Werte.

Wie gravierend ist denn nun Ihr Befund?

Der Befund zeigt, in welch bedauerlichem Zustand sich die Flensburger Förde befindet. Die Nährstoffkonzentrationen haben ein Ausmaß erreicht, daß wir solch ungewöhnliche Algenkonzentrationen finden. Das ist eine menschengemachte Situation durch den Eintrag von Nährstoffen. Wir wissen seit längerem, daß der tiefere Teil der Flensburger Innenförde im Grunde sauerstofflos und damit biologisch tot ist. Zu einem Fischsterben wird es also nicht kommen, weil keine Fsche mehr da sind.

Darf man, von Ihrem Befund ausgehend, generell von einer bedrohlichen Situation für Ost- und Nordsee sprechen?

Was wir gemessen haben, ist zunächst nur ein lokaler Befund. Wir haben allerdings auch in der Kieler Förde eine starke Algenblüte festgestellt, wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Die Alge, die wir gefunden haben, bleibt aber in der Regel auf die nährstoffreichen Hafenregionen beschränkt.

Wird es zu einer neuen „Epidemie der Killeralgen“ kommen?

Generell werden Algenblüten in diesem und den nächsten Jahren immer wieder auftreten. Die Algenproduktion in Nord und Ostsee wird stark zunehmen. Das liegt ganz einfach daran, daß sich der Eintrag von Phosphat und vor allem von Stickstoff weiter erhöht. Die Landwirtschaft, und hier in erster Linie die Viehhaltung, ist eine wesentliche Ursache für die Zunahme von Stickstoff-Einträgen. Dagegen wurde bisher zuwenig getan.

Dann hat die katastrophale Situation des Vorjahres nichts bewirkt?

In der Landwirtschaft habe ich davon noch nichts bemerkt. Wir müssen aber gerade hier etwas tun. 50 Prozent des Stickstoff-Eintrags in die Ostsee kommt über die Luft. Und davon wiederum zwei Drittel aus der Landwirtschaft, nämlich aus Vorder- und Hinterteilen von Großvieheinheiten. Hier sind Maßnahmen viel dringender als etwa der Bau von Stickstoff-Klärstufen in den Kläranlagen, die sehr sehr teuer sind.

Interview: M. Kriener