The Last Latino Waltz

■ „Santana“ zeigte, warum sie mal begeisterten und daß es Zeit ist, aufzuhören

Die Fans von damals kamen am Samstag abend ins Konzert mit ihren Kindern, die jetzt so alt sind, wie sie damals waren. Ich saß zwischen zwei von diesen harmonischen Familien und wunderte mich immer mehr, wie frisch und ohne nostalgische Peinlichkeiten diese Musik für die ganze Familie gespielt und vom Publikum aufgenommen wurde. Über drei Stunden lang lieferte Carlos Santana und seine Band, in der auch noch einige der Gründungsmitglieder spielten, mit einer Mischung aus den Klassikern und Material von den LP's der letzten Jahre eine Übersicht ihrer gesamten Produktioen, wobei nur die am Jazzrock orientierte Phase der Platten „Caravanserai“ oder „Welcome“ übergangen wurde. Dabei wurde deutlich, wie früh „Santana“ ihren Stil perfektioniert hatten. Die Höhepunkte des

Konzerts waren dann auch die alten Fetzer - es klingt paradox: „Oje como va“ oder „No one to depend on“ klangen neuer und wurden mit mehr Feuer gespielt als die Kompositionen der letzen Jahre. Carlos Santanas eleganter und liebenswürdiger Gitarrenstil und die von drei Percussionisten in Gang gehaltene Rhythmusmaschine (wieviele von uns haben sich damals nicht Kongas oder Bongos gekauft)

-diese Markenzeichen der Band haben noch keinen Staub angesetzt, und wie früher gab es auch jetzt noch keinen ordentlichen Sänger, so daß fast nur instrumental gespielt wurde.

Carlos Santana hatte natürlich die Hauptlast der Soli zu tragen, Pianist Chester Thompson bekam zwar den für die Band typischen dreckigen Ton auf der elektrischen Orgel gut hin, konnte aber als Solist dem Chef nicht das Was

ser reichen. Anders die Percussionisten und Bassist Alphonso Johnson die viel Freiraum für schöne und lange Soli hatten.

Bis zu den Zugaben war das Programm gut aufgebaut, mit genau auskalkulierten Spannungsbögen in der Musik und kurzen Zitaten von so unterschiedlichen Musikern wie John Abercrombie, Milton Nascimento oder John Coltrane. Hier gab Santana dezent und intelligent Hinweise auf seine Einflüße. Bei den Zugaben mußte es dann aber noch ein Stück für Nelson Mandela sein, und mit einem klassischen Bluesstandard gab es dann auch noch ein plumpes Zitat zuviel. Es war, als wollte Santana nach über drei Stunden diesen letzten Walzer ewig weiter spielen.

Schade. Als letzter Eindruck blieb so: Endlich hören sie auf!

Willy Taub