Flucht zur West-Mark

■ Mediengerecht halfen zwei Männer ihrem Bruder über die DDR-Grenze / Brüder verkauften ihre Geschichte für eine sechsstellige Summe an die Zeitschrift 'Quick‘

Wie schaffe ich es, eine Flucht aus der DDR meistbietend zu vermarkten? Das müssen sich die zwei Brüder Ingo und Holger Bethke gefragt haben, die am Freitag morgen in einer spektakulären Aktion (siehe taz-Bericht vom Samstag) ihren Bruder Eggbert per Ultraleichtflugzeug aus Ost-Berlin in den Westteil der Stadt geholt hatten. Ultramedienwirksam war das Trio nach gelungener Fluchthilfe vor dem Reichstag gelandet, wo die Polizei Stunden später die zwei Flugmaschinchen, bemalt mit rotem Stern auf olivfarbener Tarnfarbe, entdeckte - von den Eignern keine Spur. Die drei Brüder waren ins Berliner Büro der Illustrierten 'Quick‘ geflüchtet. Für einen sechsstelligen Betrag verkauften die ehemaligen Ostler der Zeitschrift des Bauer-Verlags die Exklusivrechte samt einer selbstgefertigten Videodokumentation von der Fluchtaktion. Erst am Samstag, 36 Stunden später, traten die Brüder den Gang zur Polizei an und machten damit der brodelnden Gerüchteküche ein Ende. Die offizielle Version gegenüber den Gesetzeshütern: Schon seit zwei Jahren hätten Ingo und Holger, die 1974 und 1983 ebenfalls aus der DDR geflüchtet sind, die Fluchthilfe per Flugzeug ins Auge gefaßt. Aus diesem Grund seien die beiden Ultraleichtflugzeuge im Werte von jeweils rund 50.000 Mark von den beiden Brüdern gekauft worden. Nachdem die Flieger per LKW nach Berlin transportiert worden seien, habe man sich am Freitag morgen gegen 4.20 Uhr von einem Neuköllner Sportplatz aus in die Lüfte geschwungen. Auf einer Wiese des Treptower Parks in der Nähe des sowjetischen Ehrenmals sei dann etwa 20 Minuten später, so die Angaben der Männer gegenüber der Polizei, der Bruder mit an Bord eines der Flugzeuge genommen worden, während das andere als Beobachterflugzeug in der Luft blieb und die Fluchtaktion bewachte. Kurze Zeit später habe man mit den Leichtfliegern nicht etwa den schnellsten Satz über die Grenze gemacht. Vielmehr seien sie in etwa 200 Meter Höhe, immer der Mauer nach, bis zum Reichstag geflogen. Keine Angaben darüber, ob die Brüder die Zeitschrift schon vorab von der Fluchtaktion informiert hatten, wollte der Sprecher der Münchner 'Quick‘, Christian Seidel, gegenüber der taz machen. „Wenn wir zugeben würden, wir hätten von der Sache schon vorher etwas gewußt, hätten wir ja quasi Fluchthilfe geleistet“, so Seidel. Er wies darauf hin, daß dies die erste Flucht gewesen sei, die „total dokumentiert“ vorläge. Über die Weitergabe der Videobänder an das Fernsehen würden noch Verhandlungen geführt, erklärte der 'Quick'-Sprecher. Bislang hatte nur das heute-journal vom Samstag einen Auszug aus der Fluchtdokumentation mit Genehmigung der Zeitschrift senden dürfen.

cb