Heftiger Gegenwind für Tiefflieger

Optimismus auf der Bundesversammlung der Tieffluggegner: Massenklagen gegen die Tiefflugpraxis werden geplant, Drachen sollen im Herbst gegen Tiefstflieger steigen, Proteste sollen den Tiefflug-„Export“ ins Ausland verhindern / Stoltenberg hält die Ohren steif  ■  Von Fabian Fauch

Altenkirchen/Hambach (taz) - Die TieffluggegnerInnen fühlen sich im Aufwind. Nach positiven Urteilen der Verwaltungsgerichte Oldenburg und Darmstadt streben sie Massenklagen gegen Tiefflüge an, planen für den Herbst Proteste mit Drachen in Tiefstfluggebieten und wehren sich zugleich gegen einen „Export“ der Flugmanöver ins Ausland. Entsprechende Beschlüsse wurden am Wochenende auf dem Bundestreffen in Altenkirchen gefaßt.

Der Bundeskoordinator der BIs, Werner May, sagte gegenüber der taz, die Gerichtsurteile hätten gezeigt, daß die „Tiefflugpraxis rechtswidrig ist.“ May weiter: „Wir fordern daher das Land, die Kommunen und Privatpersonen auf, verwaltungsrechtlich oder zivilrechtlich dagegen zu klagen.“ Klagen kann schon, wer ein Grundstück in einem Tieffluggebiet besitzt: zum Beispiel eine Kommune für ihren Kindergarten, ein Landkreis etwa für ein Kreiskrankenhaus, ein Bundesland für seine Landesnervenklinik. Von Bonn verlangen die BIs, die Tiefflüge der Bundesluftwaffe sofort einzustellen, „um eine Prozeßlawine zu vermeiden“. Die Bundesregierung solle in Verhandlungen auf die Nato-Partner einwirken, daß auch diese Tiefflüge stoppen. Die BIs wollen mit einer gemeinsam erarbeiteten Musterklage jedem helfen, der einen Prozeß anstrebt.

Im Herbst wollen die BIs Drachen gegen Tiefstflieger einsetzen. In Bayern, der Eifel und in Norddeutschland sollen die Drachen bis zur rechtmäßigen 100-Meter-Grenze hochsteigen. Die Tiefstfluggrenze liegt bei 75 Metern. May: „Damit wollen wir sichtbar machen, daß wir im Recht, die Tiefstflieger dagegen im Unrecht sind.“

Die BIs lehnen es ab, daß die Bundesluftwaffe ihre Tiefflüge künftig von der Bundesrepublik ins Ausland verlagert, etwa nach Kanada, Portugal oder in die Türkei. In der Türkei sollen laut May bei Konya bis zu 50.000 Dorfbewohner umgesiedelt werden, um Tiefflüge zu ermöglichen. Manche vermuten, daß die Türkei im Gegenzug für ihr Entgegenkommen Kampfpanzer vom Typen Leopard erhält. In Labrador (Kanada) würden, so May, durch Tiefflüge die dort streifenden Rentierherden verschreckt und vertrieben. Sie stellen die Lebensgrundlage der dort als Halbnomaden lebenden Indianer dar.

Parallel zu der Bundesversammlung in Altenkirchen trafen sich rund 2.000 TieffluggegnerInnen im pfälzischen Hambach, darunter auch Vertreter des Kinderschutzbundes und der Initiative „BürgermeisterInnen gegen den Tiefflug“. Der Bürgermeister der pfälzischen Verbandsgemeinde Kandel, Günther Tielebörger (SPD), forderte bei diesem Anlaß eine Volksbefragung zum Thema Tiefflug.

Dem Gegenwind für die Tiefflüge trotzt Verteidigungsminister Stoltenberg. In einem Interview des Deutschlandfunks beharrte er auf der Notwendigkeit von Tiefflugübungen, „wenn auch in verringertem Umfang“. Ansonsten wäre die Verteidigungsfähigkeit des westlichen Bündnisses aufs Gefährlichste untergraben. Genaueres blieb er schuldig. SPD-Vize Lafontaine dagegen forderte einen sofortigen Tiefflugstopp als „geeignetes Signal“ der Abrüstungsbereitschaft nach innen und außen.