4.000 Tonnen Giftgas über Bremerhaven

■ Pentagon: 6.300 Tote bei einem Zug-Unfall während des C-Waffen-Abzugs möglich / Hardt-Höhe: In der BRD nicht

Rund 4.000 Tonnen Giftgas-Munition der US-Army lagern im rheinland-pfälzischen Fischbach. Ab Ende 1990 sollen die chemischen Waffen vertragsgemäß auf dem „Johnston-Atoll“ im Pazifik südlich von Hawaii vernichtet werden. Auf dem Weg dorthin werden die Massenvernichtungsmittel auch Bremen und Bremerhaven passieren. Denn dort sollen sie von der Bahn auf Schiffe umgeladen werden. Bis zu 6.300 Tote hat eine Studie des Pentagon für den Fall errechnet, daß es beim C-Waffen -Abtrans

port per Bahn zu einem Unfall kommt.

Noch schlimmer könnten die Auswirkungen im Hafen sein: Bis zu 17 Kilometer weit in Windrichtung könnten explodierende oder ausströmende Giftgase jedes Leben töten. „Hierbei wurde das Gefahrenpotential durch Terroranschläge oder durch Tiefflieger noch nicht einmal einkalkuliert“, ergänzt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Schramm, der die Pentagon-Studie von seinen Parteifreunden aus Rheinland -Pfalz bekommen hat.

Auf über 1.000 Seiten werden in der Studie ausführlich Risiken der C-Waffen-Vernichtung erörtert. Zu der Untersuchung war das Pentagon nach US-amerikanischem Gesetz verpflichtet. Auch militärische Anlagen unterliegen dort einer öffentlichen „Umweltverträglichkeits-Prüfung“. Nach umfangreicher Abwägung der Unfallgefahren empfiehlt die Studie für die acht C-Waffen-Lager auf US-Territorium eine Verbrennung vor Ort. Ein „größter anzunehmender Unfall“ sei siebenmal wahrschein

licher, wenn die C-Waffen zunächst alle zu einer zentralen Verbrennungsanlage transportiert würden. Das zentrale europäische Giftgaslager in Fischbach wurde in die Pentagon -Studie allerdings ausdrücklich nicht einbezogen. Doch die Folgen eines Transportunfalls wären in der dichtbesiedelten Bundesrepublik kaum weniger katastrophal als in den USA.

Diesem Argument widerspricht das Bonner Verteidigungsministerium allerdings heftig. „In den USA handelt es sich zum Teil um Kampfstoffe in verrosteten Kanistern. Ein Teil davon stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg“, begründet der Nato-Sprecher auf der Hardt-Höhe, Fregattenkapitän Peter Monte, den Unterschied. Die C-Waffen, die in der Bundesrepublik lagern, seien dagegen alle in ausgezeichnetem Zustand. Außerdem handele es sich hier „lediglich um geschlossene Granaten“. Die „notwendige Sicherheit beim Abtransport“ sei deshalb „in jedem Fall gegeben“.

Öffentlich überprüfbar ist diese Aussage jedoch nicht. Im Unterschied zur Praxis in den USA hält die Bundesregierung alle Informationen über Atom-und Chemiewaffen grundsätzlich unter Verschluß. Auch eine „interministerielle Arbeitsgruppe“, die in Bonn den C-Waffen-Abtransport vorbereitet, tagt streng vertraulich, die Bundesländer werden lediglich vom Ergebnis informiert. Selbst dem rheinland

pfälzischen Minister und FDP-Landesvorsitzenden Brüderle war die Genehmigung zur Inspektion des Fischbacher Lagers verweigert worden. „Bis an die Grenze des Vertretbaren“ sollte die Öffentlichkeit über das Lager unterrichtet werden, forderte Brüderle daraufhin von Verteidigungsminister Stoltenberg.

28,4 Mio Dollar sind im Pentagon-Haushalt für den Abtransport der Fischbacher C-Waffen vorgesehen. Die Bundesregierung soll an den Kosten nicht beteiligt werden. Allerdings wird in der Pentagon-Studie zumindest für US -Verhältnisse der Bau völlig neuer, besonders gesicherter Umschlageinrichtungen auf den Verladebahnhöfen eingeplant. Auch dies sei in Deutschland nicht erforderlich, versichert Hardthöhen-Sprecher Monte.

Um die Unbedenklichkeits-Beteuerungen zumindest überprüfen zu können, fordern die Bremer Grünen nach US-amerikanischem Vorbild eine umfassende Information über mögliche Gefahren. Und für die Gebiete entlang der Eisenbahnstrecke von der Pfalz nach Bremerhaven müßten Katastrophenpläne erstellt werden.

Damit der gefährliche C-Waffen-Abtransport nicht in ein paar Jahren wiederholt werden muß, fordern die Grünen auch eine Initiative des Senats im Bundesrat, um den geplanten Ersatz des Giftgases durch neue „binäre“ C-Waffen zu verhindern.

Dirk Asendorpf