Das Cafe Kranzler soll nicht erdrückt werden

■ Bausenator Nagel stoppt Hochhauspläne für das Victoria-Areal am Kudamm / Neues Gutachterverfahren für Büro- und Hotelgebäude soll an die Ideen der 50er Jahre anknüpfen / Nagel will Kinos und Kabarett, Planungsmitarbeiter für Läden, die abends geöffnet bleiben

Hochfliegende Pläne des ehemaligen CDU-Bausenators Georg Wittwer hat der neue Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) jetzt gestoppt: Auf dem sogenannten Victoria-Areal hinter dem Cafe Kranzler wird es keine alles überragenden Hochhaustürme geben. In einem neuen Anlauf will der Bausenator das Projekt nun „beschleunigen“. Ein weiteres Gutachterverfahren soll bis zum Herbst klären, wie und wie hoch dieses laut Nagel „wohl wichtigste Grundstück in der Innenstadt“ bebaut werden kann. Zwar würden „hochqualifizierte Flächen“ für Büros und Hotels gebraucht, ein „überdimensionales Hochhaus“ sei jedoch „nicht angebracht“, ließ der Senator gestern erklären. Ein weiterer Eckpunkt für die künftige Planung: Das Kranzler-Eck und das Bilka-Haus will Nagel „als ein Symbol der 50iger Jahre weitgehend erhalten“. Einige der seinerzeit von Wittwer vorgestellten Pläne hatten den Abriß der Traditionsgebäude vorgesehen.

Vier noch von Wittwer beauftragte Architektenbüros hatten auf einer Sitzung am Samstag noch einmal ihre überarbeiteten Entwürfe vorgelegt. „Keiner“ der Entwürfe habe „eine befriedigende städtebauliche Lösung“ geboten, hieß es in Nagels Erklärung. Auch die drei 75 Meter hohen Türme, die das Architektenbüro Nielebock vorgeschlagen hatte, hätten nicht die Gnade des Senators gefunden, dementierte ein Sprecher anderslautende Berichte. Ex-Senator Wittwers Favoriten, die Chicagoer Architekten Murphy und Jahn, hatten ihren Turm zwar von 144 Meter auf etwa 100 Meter schrumpfen lassen, waren dem neuen Senator damit aber immer noch einige Nummern zu groß. Jetzt, so Nagels Wettbewerbsleiter Hanno Klein, dürften andere, jüngere Architekten mit „unbefangenen, frischen Ideen“ ran. Sie sollen an die „Entwurfsprinzipien der 50er Jahre“ anknüpfen, die von Kranzler und Bilka vorgegeben werden und die Klein mit Begriffen wie „Fröhlichkeit und Unbefangenheit“ charakterisiert.

Was sowohl Nagel als auch Charlottenburgs Bürgermeisterin Wissel (SPD) auf der Sitzung am Samstag am meisten vermißt hatten, sind Ideen, wie das Areal „für Bürger interessant“ werden kann. Wissel denkt an Cafes oder Feste, Nagel wünscht sich Kinos und Kabarett in den Neubau, und Wettbewerbsleiter Klein propagiert die „Drugstore-Idee“. Kneipen mit Läden kombiniert, die am abend bis elf Uhr geöffnet sind.

Hochhäuser könnten dagegen nur Schaden anrichten, fürchtet Nagel. Sie könnten das Kranzler-Gebäude optisch erdrücken. Alten Wohn- und Geschäftshäusern am Kudamm drohe außerdem eine „spekulative Abwertung“: Investoren würden dann auch hier auf Abriß und eine höhere Neubebauung drängen.

hmt