Auf die offizielle AL haben Jugendliche keinen Bock

■ Interview mit Wolle Borgert (21) aus dem AL-Jugendbereich über die Zukunft der Jugendarbeit in der Alternativen Liste Die Jugendorganisation in der AL will nicht das sein, was die Jungsozialisten beispielsweise für die SPD sind

Die AL-Jugendlichen sind unzufrieden mit ihrer Partei. Die politische Kultur der AL schrecke interessierte Jugendliche geradezu ab, sich in dieser Partei zu engagieren, heißt es in einem Diskussionspapier des Jugendbereichs: „Wieviele kommen freiwillig ein zweites Mal zu den Versammlungen der AL?“ Das wollen die „Jungen Alternativen“ jetzt ändern: am Mittwoch steht die AL-Jugend auf der Tagesordnung des Delegiertenrates.

Die taz sprach mit Wolle Borgert (21) aus dem Jugendbereich. Er stellt sich eine Organisation vor, die zwar AL-nah ist, aber nach außen stärker als unabhängige Gruppe auftreten soll. Auf die „offizielle“ AL hätten Jugendliche nämlich „keinen Bock“.

taz: Wie ist die Stellung der Jugendlichen zur Zeit in der AL?

Wolle Borgert: Jugendliche haben keine besondere Stellung in der AL, außer daß es halt den Jugendbereich gibt, wo sich Jugendliche hinwenden und mitarbeiten können. Ansonsten ist der Anteil von Jugendlichen in der AL nicht mehr so groß wie früher. Praktisch mitarbeiten in den Bezirken und Bereichen tun eigentlich relative wenige. Wir sind unzufrieden mit der heutigen Struktur, weil sie es uns schwermacht, neue Leute zum Mitmachen zu bewegen. Es gibt eine Menge Leute, die sich für den Jugendbereich interessieren, ihn aber zu AL-gebunden finden. Der Jugendbereich ist ja wie alle Bereiche ein offizieller Teil der AL, und da haben 'ne Menge Jugendliche keinen Bock drauf. Die wollen nicht in die AL und in keine andere Partei eintreten.

Ihr fordert jetzt eine eigenständige AL -Jugendorganisation. Wie soll das aussehen und was wollt ihr damit erreichen?

Wir wollen auch nach außen hin stärker als unabhängige Gruppe auftreten. Wir wollen keine Organisation, die wie die Jusos zum Beispiel ein Teil der SPD ist. Wir wollen eine unabhängige Struktur, AL-nah zwar, aber wir wollen in Praxis und Programm unabhängig sein.

Und was wollt ihr dann machen?

Wir wollen eine ähnliche Arbeit machen, wie sie der Jugendbereich in den vergangenen Jahren auch gemacht hat. Nur als Organisation versuchen wir natürlich stärker eigene Strukturen aufzubauen. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, verschiedene Arbeitsgruppen einzurichten. Unter Umständen wollen wir auch lokale Gruppen. Wir wollen auch weiterhin zwei Delegierte im Delegiertenrat haben. Wir überlegen uns auch, wie wir als Jugendorganisation auf Mitgliedervollversammlungen auch unsere Stimmen haben können.

Jugendpolitik machen ja viele. Wie stellt ihr euch denn eine alternative Jugendpolitik vor?

Alternative Jugendpolitik, das ist ein Begriff, der bislang noch nicht sehr stark gefüllt ist, weil die Diskussion in dem ganzen Bereich auch eher neu ist. In den Grünen und in der AL wurde sie eigentlich bislang nur von ein paar interessierten Jugendlichen geführt. Wir wollen Jugendliche eigentlich vor allem anregen, daß sie selber aktiv werden, Politik zu machen. Die Inhalte, die wir vertreten, sind eigentlich dieselben wie die der AL, also ökologische und demokratische Inhalte.

Das allein ist doch noch keine Jugendpolitik!

Wir haben natürlich bestimmte Forderungen, die vor allem Jugendliche betreffen. Zum Beispiel in der Schulpolitik treten wir stark für die Rechte von SchülerInnenvertretungen ein. Auch andere Dinge sind eigentlich eher Jugendpolitik: wenn ich mir zum Beispiel die ganzen Antifa-Sachen anschaue, das hat eine Menge mit Jugendpolitik zu tun. Einerseits haben die Rechtsparteien vor allem Zulauf von Jugendlichen, und andererseits sind die Betroffenen von Überfällen vor allem Jugendliche.

Sind diese Themen nicht schon durch andere Jugendorganisationen abgedeckt? Zum Beispiel die Falken sind ja sehr aktiv in der Antifa-Arbeit. Braucht man da jetzt noch eine weitere Jugendorganisation?

Die Falken und andere Verbände stehen natürlich aus ihrer Tradition her der Sozialdemokratie immer noch relativ nahe. Bei unseren Aktivitäten in der SchülerInnen-Bewegung im Dezember/Januar haben wir gemerkt, daß es unheimlich viele Jugendliche gibt, die sich inhaltlich eigentlich näher an der AL finden und etwas suchen, wo sie sich engagieren können. Nur diese Möglichkeit gibt es eben heute noch nicht. Im Gegensatz zu den anderen wollen wir von Jugendlichen selbst organisierte Strukturen. Wir haben deshalb auch ein Alterslimit von 25 bis 26 Jahren beschlossen.

Was sind denn eure Erwartungen an die Jugendpolitik des rot-grünen Senats?

Da kann ich eigentlich noch gar nichts zu sagen. Wir planen zu diesem Thema eine Veranstaltung mit Sibylle Volkholz. Da werden wir mit ihr unsere Erwartungen diskutieren. Dem möchte ich jetzt nicht vorgreifen.

Im Bereich der Bildungspolitik kann man sagen, daß da bei den Koalitionsverhandlungen eigentlich sehr gute Sachen herausgekommen sind. Zum Beispiel das politische Mandat für Schülervertretungen, das wir lange gefordert haben, mehr Projekttage und einige andere Sachen, die also nicht so schlecht aussehen.

Interview: Frauke Langguth