Zuviel Ehrfurcht gebiert Langeweile

 ■ S T A N D B I L D

(Deutsche, Sonntag 28. 5. 22.35 Uhr, ARD) Nein, ein typisch Deutscher ist er Gott sei Dank nicht, eher ein Kosmopolit und, wenn ich richtig liege, politisch immer dem Internationalismus verpflichtet. Mithin war der Titel der Sendung so unpassend, wie das Etiketten nun einmal sind.

Da saßen sie sich nun gegenüber, hier unser ehemaliger Mann in Ost-Berlin und einstiger Spiegel-Chef, da, Daniel Cohn -Bendit, Protagonist des Pariser Mai, Frankfurter Sponti und künftiger Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten. Getragene Musik schaffte den weihevollen Rahmen einer Gesprächsrunde, die leider immer haarscharf an dem vorbei schrammte, was interessant hätte sein können. Natürlich zu Anfang die obligate Frage an den Helden der 68er Revolte, ob's denn ein historisches Ereignis war? Und natürlich diejenige, nach dem Ergebnis seines zwanzigjährigen politischen Kampfes. Und natürlich, was auch sonst, die Frage nach der Gewalt. Da ward's nun allerdings peinlich: Damit sie mich nicht mißverstehen, wendet der Frager ein, Gewalt in der Dritten Welt, die hat schon ihre Berechtigung. Hör ich recht? Aber es geht noch weiter, er bemüht das „Wir“ und spricht von der Gefahr, daß „wir“ den revolutionären Kampf vielleicht aus dem Auge verlieren. Oh Not, oh Pein, Gaus auf der Schiene des verhinderten Revolutionärs.

Ansonsten hanseatisch kühl, versucht er die Fragen präzis und genau zu setzen, was dem alten Profi nun leider nicht immer gelingt. Der Cohn, welch Ärgernis, steht dem nicht nach, legt den Zeigefinger denkend an den Mund, wägt ab, bar jeder Spontaneität. Es ist diese Gesprächssituation im Studio, plus Gaus, die ganz augenscheinlich dazu führt, daß der Meister der freien Rede, der Demagoge in seinem ursprüngliche Sinn, der schon so manchesmal im alten H 6 der Frankfurter Uni, auch seine Widersacher vereinnahmen konnte, so blaß und gesittet bleibt. Da kreisten zwei umeinander, die zu viel Ehrfurcht voreinander hatten. Von Reibung etwa, einem zündenden Funken gar, keine Spur.

Daß das Fernsehen das Medium des Daniel Cohn-Bendit nicht ist, war bekannt, daß mit generalisierenden Fragen man es schafft, den Dany zum Schlafmittel zu machen, das wissen wir jetzt. Warum nur, hat er den Juden Cohn-Bendit nicht nach seiner Rolle gefragt, die er bei den Auseinandersetzungen um Faßbinders Müll-Stück in Frankfurt einnahm, oder nach seiner Vermittlerfunktion in Sachen Staat contra Terrorismus oder gar danach, warum die einstige Bezugsperson im Kinderladen so vaterlos in sein fünftes Jahrzehnt geht. Über Daniel Cohn -Bendit als Mensch, hätte man jedenfalls mehr erfahren.

ks