„Für Palästina tue ich alles“

Gespräch mit zwei palästinensischen Jugendlichen aus Gaza  ■ I N T E R V I E W

Das Interview mit den beiden jungen Palästinensern Ahmad (16 Jahre) und Mahmoud (21 Jahre) fand im Kreise ihrer Familie vor den Trümmern ihres Hauses im Gaza-Streifen statt. Die israelischen Militärbehörden hatten die Kollektivstrafe der Sprengung angeordnet, nachdem ihr 13jähriger Bruder festgenommen worden war. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe waren Verteilen von Flugblättern, Steine werfen, Mitarbeit in den Volkskomitees des Aufstandes, Herstellen von Molotow-Cocktails, Beschaffung von Waffen, Töten von Kollaborateuren... Mahmoud und Ahmad zählen sich zu den Aktivisten des Aufstands, nicht aber zu der Gruppe, die politisch an Plänen für die Zukunft feilt.

taz: Ahmad, worin siehst du die wichtigsten Erfolge der Intifada?

Ahmad: In der Zusammenarbeit der Bevölkerung, in der Einheit und in dem Gefühl, daß sich in der Welt was ändert.

Warst du schon einmal in Israel?

Ahmad: Ja, ich bin bis zur sechsten KLasse in die Schule gegangen und habe dann in Israel in einer Autowerkstatt gearbeitet. Als die Intifada kam, habe ich damit aufgehört.

Was hat sich für dich durch die Intifada verändert?

Ahmad: Alle Menschen sind Brüder geworden. Ich habe jetzt auch die Hoffnung, daß es einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt geben wird.

Mahmoud: Haifa auch.

Ahmad: Gut, Haifa auch.

Aber die Stadt Haifa liegt doch nicht in den besetzten Gebieten. Was haltet ihr vom Projekt des unabhängigen Palästinenserstaates in den besetzten Gebieten, neben dem israelischen Staat?

Ahmad: Zuerst muß es einen Staat in den besetzten Gebieten geben. Dann könnten wir Programme für die Zukunft machen.

Mahmoud: Die Israelis können den Palästinensern kein Stück Land geben, weil sie davon ausgehen, daß ihr Staat dann zerstört wird. Deshalb wird es keinen unabhängigen Palästinenserstaat neben Israel geben. Die Zionisten sagen, sie wollen das Land vom Nil bis zum Mittelmeer, und sie arbeiten dafür.

Wie wird es jetzt eurer Ansicht nach weitergehen?

Mahmoud: Die Intifada kann ihre Ziele so lange nicht erreichen, bis sich die arabischen Regimes nicht geändert haben, bis es nicht eine organisierte Einheit gegen Israel gibt.

Welche Art von politischem System befürwortest du?

Mahmoud: Ich hätte gern ein islamisches System, aber wenn das nicht möglich ist, unterstütze ich jedes andere, das für die palästinensische Unabhängigkeit arbeitet.

Ahmad: Jeder hat seine eigenen Ideen.

Mahmoud, warum bist du für ein islamisches System?

Mahmoud: Viele Christen wenden sich der islamischen Religion zu. Die Europäer sagen, daß Iran das Beispiel für einen islamischen Staat sei, aber das stimmt nicht, Iran ist ein blutiger Staat. Die Mitglieder der islamischen Bewegung verbieten den Juden, die hier gelebt haben, nicht, zu bleiben, selbst wenn sie in der israelischen Armee gedient hätten. Aber die, die von außen kamen, müssen in die Länder zurückkehren, aus denen sie stammen. Das palästinensische Problem hat angefangen, als die Israelis wegen der Nazis und wegen der sozialen Situation in den europäischen Ländern hierher kamen. Die Folge sind die palästinensischen Flüchtlingslager. Israel ist auf der Zerstörung eines Volkes errichtet worden, Israel hat Unrecht getan und sollte deshalb nicht existieren.

Was haltet ihr von der Politik Arafats?

Mahmoud: Arafat will einen unabhängigen Staat für die Palästinenser, aber die besetzten Gebiete sind nicht groß genug. Arafat meint, was er sagt, aber Israel akzeptiert das nicht.

Ahmad: Was Arafat sagt, ist gut. Aber ich glaube, er sieht darin nur einen ersten Schritt auf dem Weg nach Palästina.

Da würde dir Ministerpräsident Schamir sicher zustimmen (auch die Mutter und ein zuhörender Bruder nicken zustimmend).

Mahmoud: Arafat meint, was er sagt. Israel muß das akzeptieren, auch wenn es bitter ist.

Eben noch hast du Israel das Existenzrecht abgesprochen...

Mahmoud: Es gibt zwei Lösungen: Die Zwei-Staaten-Lösung von Arafat und die des islamischen Fundamentalismus. Für Israel wäre es besser, Arafats Lösung zu akzeptieren.

Was würdet ihr in einem palästinensischen Staat gern machen?

Ahmad: Ich möchte in die Armee und Panzer fahren und meiner Arbeit nachgehen.

Mahmoud: Früher habe ich in Israel gearbeitet, da gab es immer Streit. Jetzt arbeite ich in Gaza auf dem Bau. Ich möchte zur Armee und für die palästinensische Regierung arbeiten. Für die palästinensische Regierung und den Staat Palästina tue ich alles, selbst die Straße kehren.

Interview: Beate Seel, zur Zeit in den besetzten Gebieten