Rai-Pop im Modernes

■ Vive le Prince!

In Frankreich tanzt die Jugend schon lange danach, zumindest die „beurs“, die Sprößlinge der nordafrikanischen Einwanderer. Die Rede ist vom Rai-Pop, dessen jüngster Vertreter Cheb Kader heute abend im Modernes versuchen wird, auch die BremerInnen vom Charme dieser arabischen Tanzmusik zu überzeugen - mit einer ausreichenden Portion westlicher Zutaten, versteht sich.

Hinter dem Rai steht aber doch eine ganze Ecke mehr als nur die Wirkung, dem jugendlichen Bewegungsdrang Vorschub zu leisten. Entstanden ist er in den Gebirgen des Mahgreb aus der Volksmusik der Hirten und wurde ursprünglich lediglich auf Trommeln und Flöten gespielt. Im Laufe der Zeit brachten die Nomadenvölker ihre Musik auch in die Städte, insbesondere in die algerische Hafenstadt Oran, die „Stadt der Feste„(Albert Camus). Oran war der wichtigste Handelsplatz für die Beduinen und gleichzeitig ein Schmelztiegel der Kulturen, wo sich z.B. der spanische Flamenco und die andalusische Musik aus Marokko mit den Klängen der Beduinen trafen. Neue Instrumente wie Akkordeon, Gitarre und Orgel fanden den Weg zum Rai, der sich schnell auch als städtische Ausdrucksform etablieren konnte.

Zunächst waren es reine Frauenorchester, die sogenannten „cheikates“, die den Rai bei Hochzeits- und Beschneidungsfeiern, aber auch in den Bordellen Orans spielten. Und so nimmt es nicht wunder, daß diese Musik bei den Machthabern schnell in Mißkredit geriet, zumal die Texte meist in sehr freizügiger Weise von Liebe, Sex und Alkohol handelten - ein Sakrileg in der streng religiös und patriarchalisch strukturierten algerischen Gesellschaft. Der Rai war also von Anfang an ein Mittel, das Aufbegehren der Jugend gegen die engen und verlogenen Lebens-und Moralvorstellungen der islamischen Gesellschaft auszudrücken; nicht umsonst bedeutet Rai soviel wie „Botschaft“ oder „Meinung“. Die Zensur und Unterdrückung des Rai ließ erst nach, als dessen Popularisierung nicht mehr aufzuhalten war und er auch in Europa, insbesondere in Frankreich, seinen Siegeszug antrat. Dort griffen die „beurs“ ihn gierig als Zeichen einer eigenen kulturellen Identität auf, feierten ihn und seine Protagonisten.

Cheb Kader ist der jüngste Sproß in einer ansehnlichen Reihe von Rai-Stars, der am konsequentesten versucht, von Paris aus auch das westeuropäische Publikum zu erobern. Seine Debütplatte war das erste Rai-Album, das komplett in Paris produziert wurde: mit allen Möglichkeiten westlicher Studio -High-Tech und trotzdem nicht der Verlockung erlegen, alle arabischen Elemente für den Discogebrauch glattzubügeln. So stehen Darabouka und Geige (fast) gleichberechtigt neben Synthesizer und E-Baß und produzieren jene eigentümliche Melange, die heute abend auch zum Angriff auf unsere Ohren und Beine ansetzt. Jü