„SUCHE THEATER“

■ Off-Off-Theater zeigt „Trotz aller Therapie“ in der Mehrzweckhalle Crellestraße

Der Trend ist überdeutlich. In jedem Stadtmagazin mit Kleinanzeigenteil kann er abgelesen werden. Wohnungen werden nur noch gesucht und Zimmer in WGs nur an nichtrauchende Tier- und Kinderfreunde vergeben, die Ikea-Sitzgruppe Björn ist überall zu absoluten Niedrigstpreisen zu haben und der Psychomarkt wird langsam aber sicher vom Erlebnisurlaub mit integriertem Computerkurs verdrängt. Konstant und verläßlich ist bei allem nur die Sparte Lonely Hearts (WM, MW, WW, MM, Sonstiges). Liebe hat immer Konjunktur. (Und nicht zu vergessen: die neue ständig anwachsende Rubrik „Harte Welle“. Und bei den Lonely Hearts geht's doch wohl eher um Sex als um Liebe... d. s-in)

Auch Prudence und Bruce, die beiden Protagonisten in „Trotz aller Therapie“, treffen sich auf eine Kleinanzeige hin. So ziemlich als erstes teilen sie sich mit, daß man sonst auf Kontaktanzeigen natürlich nicht antwortet. Aber naja, jetzt will man sich dann mal kennenlernen. Das führt zu nichtendendem Geruckel und Irritationen, kleinen, peinlich hektischen Bewegungen des Zu- und Abwendens. Zusätzlich muß Bruce (Matthias Friedrich) sich mal eben noch ganz doll einbringen, eine irre Nähe spüren und mit einem kleinen männlichen Heulanfall, den er sich in seiner Therapie mühsam erarbeitet hat, seine emotionale Befindlichkeit unter Beweis stellen. Leider macht Prudence (Isabella Mamatis) das gar nicht an. Und so war's das fürs erste. Nach diesem heftigen Erlebnis in der Außenwelt geht's zurück in die Therapie.

Dr. Stuart Framingham (Jockel Tschiersch) gelingt es, so ziemlich alle Vorurteile gegen den Berufsstand des Psychoanalytikers in seiner Person zu vereinigen. Während die Patientin spricht, nimmt er seinen Kugelschreiber auseinander, ordnet die Zettel auf seinem Schreibtisch und beginnt plötzlich gierig mit seinem Bürostuhl um die Analytikercouch zu kurven und seiner Patientin nachzustellen. Schon nach den überaus charmanten und originellen Begrüßungsworten: „Na, was geht uns denn diese Woche so im Kopf herum?“ versucht Prudence sich von dem gleichermaßen lausigen Liebhaber wie Analytiker zurückzuziehen - und geht doch wieder hin. Bruce hingegen hat mit Charlotte Wallace (Eva Behrmann) ganz andere Probleme. Sie verkörpert ganz das positive, mütterliche Feedback. Sie denkt so ungeheuer positiv, daß sie im Wesentlichen von ihren eigenen spontanen und so freien Empfindungen begeistert ist und ihre Patienten offensichtlich alle miteinander verwechselt. Nur so konnte es geschehen, daß der in Wahrheit homosexuelle Bruce diese ungeheuer gelungene Kontaktanzeige „Typ sucht entsprechende Frau...“ in die Zeitung setzt und nun plötzlich meint, Prudence heiraten zu müssen. Pikanterweise verwechselt Dr. Wallace in ihren F-Versprechern Patient mit Polyp und muß bei „Schicken sie den nächsten P... rein.“ wie beim Kreuzworträtsel nach Klangassoziationen suchen. Daß sich nun in das Komödienkuddelmuddel noch der schmähliche übergangene Herzensfreund Bob (Bernd Vollbrecht) einschaltet, erst selbst eine Therapie bei Charlotte Wallace beginnen will, aber gleich ein so intensives Coming-out hat, daß er Bruce und Prudence, die sich mittlerweile bei der nächsten Anzeige, selbstverständlich unter völlig vertauschten Identitätsbeschreibungen (aus dem Szenetypen mit abgewetzter Lederjacke und Sonnenbrille ist plötzlich ein erfolgreicher Pulitzerpreisträger im Sakko, schwarzer Lesebrille und dem obligatorischen, amerikanischen Paperbackstapel unterm Arm geworden) wiedergefunden haben, einfach erschießen will, scheint bei diesem pointenreichen und effektgeladenen Stück nur konsequent.

Christopher Durangs Komödie, mit schnellen Dialogen, treffenden Charakterzeichnungen aus der amerikanischen Therapiegesellschaft erinnert an all die vielen Filme und Stücke zwischen Woody Allens Stadtneurotiker, Robert Altmans Verfilmung dieser Komödie und der Kalldewey-Farce an, die man zu diesem Thema schon gesehen hat und kann dem leider heute nichts hinzufügen. Daran liegt es wohl auch, daß die sechs ausgezeichneten Schauspieler (allen voran die souveräne Isabella Mamatis) in der Inszenierung von Donald Berkenhoff nicht wirklich miteinander ins Spiel kommen, sondern zu schnell über die Pointen hinwegrennen und das Off -Off-Theater sich diesmal in Eigentherapie zum Alternative -Boulevard-Theater scent.

Susanne Raubold

Mittwoch bis Sonntag, 21 Uhr, Mehrzweckhalle, Crellestr.19 -21, 1/62