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Hobby: Baum

■ Achtzig Dendrophile wuseln durch Bremer Grün

Ein Trüppchen vorwiegend betagter Menschen umsteht einen schütteren Tannenbaum, rupft Zweigspitzen ab, dreht mit geübter Hand die Nadelunterseite nach oben. Nordmanniana -Hybride? Pinsapo? Kniebundhose, Rauschebärte, Knitterhaut im Konrad-Lorenz-Gesicht, wetterfeste Bekleidung und eine Plastiktüte, die voller Schätze ist: Nadelbaumzapfen, in allen Größen und Formen, auch gänzlich ausgefallene. Solcherart sind die Objekte denrologischer Begierde, und Bremen ist in diesem Jahr der Ort, an dem sich die Deutsche Dendrologische Gesellschaft versammelt. Das sind nun wirklich liebenswerte Onkelchen und Damen, die am Mittwochmorgen durch den Bürgerpark wuseln, dezidiert unpolitisch und begeistert vom exotischen Gehölz.

Die 12.000 Mitglieder zählende Gesellschaft - auch ein Schweizer Dendrologe ist anwesend - stammt von 1892, einer Zeit, in der das Pflanzen exotischer Bäume große Mode war; so geht es im informellen Gespräch um eine in Washington gesichtete Kiefer, gewisse Urwälder in Polen und die Frostempfindlichkeit eines sibirischen Ziergehölzes. Von der Ökobewegung, erklärt Prof.Bartels, Forstbotaniker aus Göttingen, fühlen sich die Dendrologen etwas bedrängt, weil jene so viel von Standortgerechtigkeit halten. Doch stolz verweist er auf glückliche Exotenansiedlungen wie beim Straßenbaum Ginko oder der nicht-mehr-wegzudenkenden Pseudotsuga menziesii, vulgo Douglastanne aus Nordamerika.

Dendrophilie geht hier offenbar Hand in Hand mit Politophobie: der Dendrologe will nur das Wissen vom Gehölz mehren und Freude daran haben, die Jahresversammlung ist für alle eine Art Urlaub. Statt um die notorischen Bedrohungen des Waldes geht es um englische Eibenhecken, und der dezente Hinweis von Herrn Kuhbier, der als Botanik-Fachmann des Überseemuseums die Bürgerparkführung übernommen hat, auf Angst-oder Stressreaktion einer übermäßig blütenreichen Kiefer stößt allgemein nicht auf Interesse.

bs

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