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: RAF und IRA - unvergleichbar

■ Unterm Funkturm

(Unterm Funkturm, Dienstag, 30.5. 22.30 Uhr, Nord 3) Das ZDF hatte den Londoner Korrespondenten Peter Merseburger dazu verdonnert, mit seinen britischen und deutschen Gästen Unvergleichbares zu vergleichen. „Staat und Terrorismus Härte oder Flexibilität am Beispiel Großbritanniens und der IRA“ lautete das Thema, das als Nachbetrachtung auf den vergangenen Hungerstreik der RAF-Gefangenen gedacht war.

Die finstere Auseinandersetzung zwischen IRA und den britischen Besatzern Nordirlands forderte in den vergangenen 20 Jahren 2.757 Tote, davon 1.897 Zivilisten, die zwischen der RAF und der Bundesrepublik Deutschland in einem kaum kürzeren Zeitraum „nur“ etwa 40. In Nordirland vergeht kein Tag ohne Anschlag. Der Aufstand richtet sich gegen eine Besatzungsmacht. Die IRA war und ist immer noch bei erheblichen Teilen der katholischen Minderheit Nordirlands fest verankert. Die RAF kam über das Verdikt Heinrich Bölls vom Krieg der „sechs gegen sechzig Millionen“ qualitativ nie hinaus.

Vergleichbar an der irischen und bundesdeutschen Situation ist am ehesten noch die Brachialgewalt, mit der Maggie Thatcher und die jeweiligen Bonner Regierungen seit Jahrzehnten und bis hin zum letzten Hungerstreik glauben, des Problems Herr werden zu können. Zehn Gefangene ließ die eiserne Lady 1981 verhungern, bevor sie nach dem Abbruch des Hungerstreiks Teile ihrer Forderungen erfüllte. Ähnliches „in Kauf nehmen“ wollte auch Helmut Kohl in den vergangenen Wochen.

Johannes Gerster, CDU-MdB und schon durch seinen Dialekt als Apologet des großen Oggersheimers ausgewiesen, verlangte „mehr Gelassenheit des Volkes“ gegenüber dem „Terrorismus“ und mehr „Klarheit von SPD und Grünen“ gegenüber den „Erpressungsversuchen der Gefangenen“. Mit dem 'Sunday -Times'-Korrespondenten Peter Millar, der vor allem durch Stammtischsprüche wie „ein Gefängnis ist kein Urlaubslager“ glänzte, hält Gerster beständig die Fiktion der reinen Kriminalität der RAF bzw. der IRA aufrecht - und verwickelt sich dabei unausweichlich in Widersprüche: „Wer aus politischen Gründen mordet ist ein Krimineller“ und „Wer Gesetze verletzt ist ein geistiger Diktator“. Gersters Weisheiten werden von besagtem Journalisten Millar, noch übertroffen, der die britische Erschießungspraxis auch unbewaffneter IRA-Mitglieder („shoot to kill“) für „die möglicherweise einzige Möglichkeit“ hält, „diesen Bürgerkrieg zu gewinnen“.

Immer wieder erstaunlich, daß Christian Ströbeles (AL) schlichte und nach zwanzig Jahren durch die Realität hierzulande und in Irland eindrucksvoll belegte Weisheit „gnadenlose Härte ist nicht erfolgreich“, bei den Anhängern der harten Linie keinerlei Wirkung zeigt. Der Londoner Anwalt Owen Davies, Ströbele und der konservative Dubliner Abgeordnete und Ex-Minister John Kelly sind sich einig, daß „ohne politische Lösungen“ ein Ende der Gewalt nicht abzusehen ist. Owen Davies: „Die Methoden der britischen Regierung sind die unmittelbare Ursache des weiteren Terrors.“ Keine Frage, dasselbe gilt für die seit Anfang der 70er Jahre hierzulande praktizierten Haftbedingungen der RAF -Gefangenen.

Also doch Vergleichbares? Ja und nein. „Wenn die IRA aufgeben würde, wäre man sehr schnell in einer Amnestiesituation. Ich würde das befürworten“, sagt der konservative Abgeordnete John Kelly. Eine Aussage, undenkbar aus dem Munde eines Johannes Gerster.

Gerd Rosenkranz