: Die Inkarnation eines Paarflüglers
■ Eine Entomologie des Grauens - „Die Fliege II“
Tierfilme hab‘ ich schon immer geliebt. Meine Freunde standen auf Pierre Brice und Lex Barker und ich auf Godzilla und Gorgo. Später diskutierten sie über Truffaut oder über die Bedeutung von Licht und Schatten bei Sergej Eisenstein, und ich verknallte mich in den Horror -Alligator und den Weißen Hai. Für ordinäre Pferde oder Hunde hab‘ ich nichts übrig, aber ich fahre total auf Tarantula oder dreißig Meter lange Gottesanbeterinnen ab.
Natürlich mag ich auch Die Fliege, Kurt Neumanns Insekten-Klassiker von 1958 mit dem wunderbaren Vincent Price. Das Remake von 1986 halte ich auch noch für durchaus sehenswert. Regisseur David Cronenberg schuf so etwas wie eine schleimige Version von Cocteaus La belle et la bete. Zugegeben, die Metamorphose von Mensch in Fliege ist nicht jedermanns Sache, und bei einigen Szenen braucht man schon starke Nerven, aber das ist nun mal so bei guten Tierfilmen.
Also, wie war das noch beim Grusel-Prinz Cronenberg? Der verrückte aber liebenswerte Wissenschaftler Seth Brundle (Jeff Goldblum) macht eine bahnbrechende Erfindung auf dem Gebiet des Transportwesens: die Telebox. Funktioniert genauso wie das „Beamen“ bei Raumschiff Enterprise. Als er zum ersten Mal selbst auf die Reise geht, passiert ein kleiner Betriebsunfall. Eine gemeine Stubenfliege verirrt sich in die Telebox und macht die Dematerialisation mit. Die Chromosomen Brundles vermischen sich mit denen der Fliege. Das Ergebnis ist eine neue Spezies: Die Brundle-Fliege! Das Horror-Spektakel nimmt seinen Lauf und endet damit, daß Brundles Freundin Veronica ihn mit Hilfe einer Schrotflinte vom Ungezieferleben erlöst. So weit so gut. Aber Veronica war schwanger von Brundle, und damit stand dem zweiten Teil des Insekten-Schockers nichts mehr im Wege.
Die Regie des Plagiats des Remakes übernahm Chris Walas, der Special-Effect-Experte des ersten Teils. Und er legt auch gleich richtig los. Die mehr als dünne Story beginnt mit der absolut geschmacklosen Geburtsszene des Menschen -Fliegen-Babys. Der Nachwuchs heißt Martin Brundle und wird, wie sein Vater, auch so ein crazy scientist. Natürlich kann er seinem Schicksal nicht entgehen. Die Fliegenwerdung beginnt. Aber die Fliege will Mensch sein. Und jetzt wird die Geschichte richtig widerlich. Der Regisseur beglückt uns mit zerquetschten und verätzten Körpern, Mutationen von Hunden und Menschen und jeder Menge ekelerregender Körperflüssigkeiten (von Fliegen). Der Streifen wird damit zu einem ganz heißen Anwärter auf den Index. Das Gräßlichste kommt zum Schluß: Der Film hat nämlich ein Happy-End. Für einen Gruselfilm völlig unakzeptabel.
Ich glaube, der einzige, der den Film wirklich mag (außer einigen begeisterten Entomologen natürlich), ist mein Freund Hermann. Er hat während der ganzen Vorstellung schallend gelacht. Der Typ hat das ganze verdammte Ding für eine Komödie gehalten.
Karl Wegmann
Chris Walas: Die Fliege II mit Eric Stoltz, Daphne Zuniga, Lee Richardson; USA 1989, 105 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen