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„Wir wollen nicht die sozialen Kasper sein“

■ Bremer Zivildienstleistende im Streik gegen ihre Einplanung in den „totalen Krieg“ / Nicht Arbeitsplatzvernichter sein

„Zivildienst ist Kriegsdienst“ - knapp 500 Bremer ZDLer protestierten gestern gegen ihre Einplanung in den „totalen Krieg“ durch Bremen. Ein Drittel der 1.000 Bremer Zivildienstleistenden beteiligte sich außerdem am bundesweit ausgerufenen Streiktag, mit dem auch gegen die Ausnutzung der Kriegsdienstverweigerer als billige Arbeitskräfte und Arbeitsplatzvernichter im sozialen Dienst und für die Abschaffung der Wehrpflicht protestiert werden sollte (vgl. auch Seite 4). Im Bundesvergleich lag Bremen bei der Streikbeteiligung ganz vorn: Weniger als 10 Prozent der insgesamt 85.000 ZDL beteiligten sich und riskierten damit Disziplinarmaßnahmen.

Mit „40 bis 80 Mark Geldbuße und einem Tag nachdienen“ will das Kölner Bundesamt für den Zivildienst nach den Worten seines Sprechers Opladen die Streikenden bestrafen. Über die hohe Streikbeteiligung in Bremen ist er

nicht überrascht: „Schließlich sitzt dort die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen.“

Schon am Morgen waren rund zweihundert streikende ZDLer in weißer Arbeitskleidung mit Rollstühlen, Besen und sogar einem Krankenhausbett von der St.-Jürgen-Straße aus zum Ansgarikirchhof gezogen. „Zivildienst ist Ausbeutung“, „Zivis sind Jobkiller“ und immer wieder die Parole „Zivildienst ist Kriegsdienst“ stand auf ihren Transparenten. Luftschutz-und Feuerlöschdienst, Blindgängerentschärfen und das Räumen vom Militär beschlagnahmter Krankenhäuser von „normalen“ Patienten - all das könnten nach geltendem Gesetz die Aufgaben von Zivildienstleistenden im Kriegsfall sein. Schon heute nehmen das Rote Kreuz, der Malteser-Hilfsdienst und die Johanniter -Unfall-Hilfe an Übungen des

Bundeswehrsanitätsdienstes teil.

Die streikenden ZDLer hatten sich am Vortag bei ihren Dienststellen abgemeldet.

„Unser Streik soll nicht auf Kosten der Alten und Behinderten gehen“, sagte einer der ZDLer. Sie baten auch darum, daß ihre Streikbeteiligung ans Bundesamt in Köln weitergemeldet wird. „Je mehr wir sind, desto wirkungsvoller ist der Streik und desto weniger gefährlich sind die Konsequenzen für jeden einzelnen“, begründete die Selbstorganisation der ZDL diesen Aufruf. Beim

DPWV übernahmen extra bezahlte Honorarkräfte für einen Tag die Betreuung der Schwerstbehinderten. „Trotzdem sollen die Streikforderungen nicht verhallen“, hofft DPWV -Geschäftsführer Lampe, der Verständnis für den Ärger der Zivildienstleistenden hat.

Während der Protestzug gestern mittag am Amtsgericht vorbeizog, wurde im vierten Stock gerade ein Zeuge Jehovas wegen seiner Totalverweigerung auch des Zivildienstes aus Gewissensgründen zu fünf Monaten Knast

verurteilt (vgl. untenstehenden Kasten).

Auf dem Weg vom Rathaus zum Ansgarikirchhof mischte sich auch Sozialsenator Henning Scherf unter die streikenden ZDLer und klopfte einigen der 500 jungen Männer väterlich von oben auf die Schulter. „Wir wollen nicht die sozialen Kasper sein für einen Staat, der den Krieg plant“, rief Gerrit Busch bei der Abschlußkundgebung ins Mikrophon, „dann nennt uns schon lieber Drückeberger.“

Dirk Asendorpf

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