Auch die Gegner sind dafür

■ Die Zustimmung des AL-Delegiertenrats zum umstrittenen Grenzübergang Schichauweg: eine musterhafte Schulstunde, in der die Funktionäre der Basis Realpolitik einbleuten

Das Thema hieß Schichauweg. Das didaktische Ziel: Exemplarisch zu erläutern, wie und unter welchen Zwängen die EntscheidungsträgerInnen der Partei handeln müssen. Der Delegiertenrat der Alternativen Liste erwies sich als willig. Aufmerksam lauschten die kritischen Delegierten am Mittwoch abend der Senatorin für Umweltschutz, Michaele Schreyer. Und ließen sich vom eigens zu Überstunden verdonnerten Fachbeamten aus der Verwaltung sachgerecht erklären, warum der Schichauweg die „umweltverträglichste“ aller „umweltschädlichen“ Lösungen ist. Doch ALer sind ja mißtrauisch, also wurde der Bürokrat gelöchert und die FunktionärInnen beschimpft. Michael Eggert profilierte sich als unken- und libellenpolitischer Sprecher und verlangte die Frösche und Insekten der Marienfelder Feldmark zu retten. „Oder ist das etwa nicht mehr staatsmännisch genug, sich für die Natur einzusetzen?“ fragte er den Fraktionsgeschäftsführer Wachsmuth, der gemeinsam mit Renate Künast einen Antrag für den Schichauweg eingebracht und den deutschlandpolitischen Aspekt des „Lochs in der Mauer“ betont hatte. Alle Argumente, seit langem bekannt, wurden aufgelistet. Die Autos, der Lärm, die Zerstörung des Grüns usw. usw. Kein Delegierter sprach sich für den Schichauweg aus. Die Bezirksgruppe Tempelhof wollte gar den Koalitionsvertrag kündigen und forderte die „Null-Lösung“.

Gegen jeden neuen Übergang bildete sich auch eine Einheitsfront vom Kreuzberger Realo Volker Härtig bis zu Spandaus Fundamentalisten Frank Koslowski. Wieso dann aber nach der etwa dreistündigen Diskussion trotzdem 20 Delegierte für den Schichauweg stimmten und damit der Grenzübergang genehmigt war, ist nicht ganz leicht zu verstehen. Man kann nur rätseln. Eingeleuchtet zu haben scheint den Anwesenden die Schelte von Christian Ströbele. Der zitierte den Koalitionsvertrag und fühlte sich „reingelegt“. Von einer Null-Lösung sei nämlich da nicht die Rede gewesen. Sein Verhandlungsauftrag lautete, die umweltverträglichste aller Varianten zu finden. So stehe es im Vertrag. „Wer morgen zur SPD geht und sagt, wir wollen gar keinen Übergang, muß sich sagen lassen, er habe den Koalitionsvertrag gebrochen“, sprach der Rechtsanwalt. Noch am späten Abend wollte gestern der Senat einen endgültigen Beschluß über den geplanten neuen Grenzübergang im Süden Berlins treffen.

bf