Die Nackte auf dem Kassenautomat

■ In Bremens Parkhäusern bricht die Postmoderne aus / Parkhaus GmbH will Image trimmen

Bremen, wir wissen es, ist eine schöne Stadt. Wir haben das Rathaus und den Roland, die Böttcherstraße und das Becks Bier, das Park Hotel und, demnächst, die Parkhäuser. Bitte was? Ja, die Parkhäuser. Da kommen zwar bislang irgendwelche Verkehrsökologen immer wieder auf die Schnapsidee, diese befahrbaren Hochhäuser abzureißen, um uns den letzten Spaß am Autofahren

in der Innenstadt zu nehmen. Aber in Bremen gibt es gegen solch radikalen Unsinn immer noch eine vernünftige Idee. Motto: Wenn's Image nicht stimmt, wird's Image getrimmt. Und womit ließe sich in diesen unseren postmodernen Zeiten besser trimmen, als mit der Kunst.

Donnerstag abend, Parkhaus am Brill: Die rechte Hälfte des Erdgeschosses ist von Blechkarossen freigeräumt. Freundliche Mädchen servieren den 50 festlich Versammelten wahlweise Bier, Sekt, Wein oder Orangensaft. Runde dunkelgebeizte Stehtische laden zum Verweilen und Plaudern ein. In einer hell erleuchteten Ecke stehen diverse Produkte künstlerischer Phantasie herum. Und von vorne spricht ein Senator, daß es nur so durch die heiligen Hallen hallt: „Die Zeiten, da Kunst dem Betrachter fast ausschließlich in kulturellen Einrischtungen wie Theatern und Museen präsentiert wurde, sind längst vorbei.“ Jawoll. Innensenator Peter Sakuth versteht offensichtlich was von diesem Fach. Es lebe hoch die Zeit der Parkhaus-Kunst.

Sakuth spricht seine wahren Worte als Aufsichtsratsvorsitzender der Bremer Parkhaus GmbH. Und die hat acht Bremer KünstlerInnen vor Monaten aufgefordert, ihre Vorstellungen von Kunstaktionen im und am Park

haus zu Papier oder Plastik zu verarbeiten. „Die Kunstwerke sollen ein Stück Alltagsumwelt von jährlich ein bis zwei Millionen Autofahrern angenehm und anregend gestalten, um so dem Negativimage der Parkhäuser entgegenzuwirken“, haben die KünsterInnen schriftlich auf den Schaffensweg mitbekommen. Da ist dann einem das Motiv Papagei auf Baum, Mann vor blauem Meer mit Dampfer eingefallen. Viel zu unbremisch: Durchgefallen. Ein anderer, der taz nicht ganz unbekannter Karikaturist, wollte die gesamte Auffahrt eines Parkhauses mit krakeligen Kritzeleien vollzeichnen. Lengt die Aufmerksamkeit der FahrerIn

nen zu sehr ab und ist daher stauträchtig: Durchgefallen.

Besser getroffen hat es da ganz eindeutig Jana Grizmek. „Sinnhaft, fröhlich, leicht, unterhaltsam, aber ernsthaft, skurill, ironisch, ästhetisch“, so der fachkompetente Professor Rolf Thiele von der Hochschule für Künste ist ihr Werk geraten. Und sie selbst will „an die großen Traditionen moderner bremischer Terrakotta anschließen“. Was das ist, hat Herr Hoettger in den 20ger Jahren in der Boettcherstraße vorgemacht. Bei solch historischen Parallelen konnte die Jury schlicht nicht anders: 1. Preis. Und so wird schon bald ein mollig dick Weib, gehalten zur Linken und Rechten von muskulösen Burschen ein Parkhaus schmücken. Aber nicht irgendwo. Nein. Welch besseren Platz hätte sich die Künstlerin ausgucken können, als eines dieser nüchternen, gelben Kassencomputerchen. „Der schnöden Kommerzialität eine heitere Menschlichkeit entgegensetzen“, heißt das im Künstlerdeutsch. Schön gesagt.

„Die Kunst hat an der Grenze zur Utopie noch niemals haltgemacht“, so Experte Sakuth im O-Ton. Und hat weitere Ideen fürs Parkhaus: Ein richtiges Konzert. Gut. Sehr gut. Denn schön ist Bremen schon. Jetzt muß es musikalisch werden. Unsere Idee: Stehgeiger in die Aufzüge.

hbk