Pathos zum Mitklatschen

■ „Canto General“ von der Bremer Chorwerkstatt begeisterte vor vollem Saal

Die pathetischen Verse aus Pablo Nerudas chilenischem „Canto General“ zur rhythmischen Musik des Griechen Mikis Theodorakis, gesungen von achtzig BremerInnen der Chorwerkstatt im ausverkauften Schlachthof - drei Voraussetzungen, die kaum zu vereinbaren sind. Doch der Applaus war am Donnerstag abend laut, lang und herzlich. Nicht nur den knapp 100 Aufführenden auf der Bühne (neben dem Chor und den beiden Solisten ein Orchester aus Oldenburger und Bremer MusikerInnen), auch 800 BesucherInnen hat es gefallen.

Die erste Schwierigkeit: Pablo Nerudas Text. Zu großen Teilen 1949 im mexikanischen Exil entstanden, triefen die Verse des Canto von tiefer Sehnsucht nach der chilenischen Heimat, ihren Pflanzen, Tieren, Menschen, Helden.

Hier wächst der Baum, der Baum / des Sturmwinds, des Volkes Baum. / Seine Helden gehen aus der Erde hervor / wie aus dem Saft die Blätter, / der Wind aber zerstiebt das Laub / der wogenden Menge, / bis daß des Brotes Saatkorn / wieder fällt auf die Erde.

Ein Pathos, bei dem es einem in Deutschland schnell unheimlich wird. Auch Mikis Theodorakis kann es nicht ganz geheuer gewesen sein, als er 1970 im Pariser Exil daran ging, die Verse des von Allende inzwischen zum chilenischen Botschafter dorthin entsandten Neruda zu vertonen.

Die zweite Schwierigkeit: In scheinbarer Harmlosigkeit lullt Theodorakis Musik das deutsche Ohr mit vertrautem Vier -Viertel-Takt ein. Doch nur in der äußeren Form schwingt die Musik im Schwulst des Textes mit. Im Inneren der Takte kämpft die Musik

gegen das Pathos der Worte. In drei Achtel, zwei Achtel, drei Achtel zerbricht der Takt, keine Truppe könnte darauf marschieren. Plötzlich geraten Drei-Viertel und sogar Sieben -Achtel-Takte dazwischen, doch trotz der inneren Spannung bleibt der Fluß der Melodie erhalten. Auf Vibraphon, Pauke und Klangholz saßen die Einsätze, aber im Chor der 80 Freizeit-SängerInnen verschwand mancher Akzent im Klangbrei.

So war es nicht die Spannung, sondern das Melodische in Theodorakis Musik, das das Publikum beklatschte - immer wieder mitten hinein in die abrupten Pausen der einzelnen Sätze. Die dritte Schwierigkeit einer Aufführung des Canto General 1989 in Bremen: 800 begeisterte Deutsche vom Dazwischenklatschen abhalten.

Ase