Atomforscher bleiben links liegen

■ Das Hahn-Meitner-Institut klagt über Behinderung durch Umweltsenatorin Schreyer / Die Existenz des HMI sei ohne Forschungsreaktor gefährdet / SPD-SenatorInnen unterstützen die Forderungen der Atomforscher / Schreyer „Sicherheit vor Termindruck“

Sorgenvolle Blicke warf gestern die Leitung des Hahn-Meitner -Instituts(HMI) in die Zukunft. Weil gemäß Koalitionsvereinbarung die AL-geführte Senatsumweltverwaltung für die Genehmigung des Forschungsreaktors BER II zuständig sei, könne sich seine Wiederinbetriebnahme erheblich verzögern, fürchtete gestern Hans Stiller, der wissenschaftliche Geschäftsführer des HMI. Damit sei die finanzielle Förderung durch den Bund und die Existenz des Instituts als Großforschungseinrichtung bedroht.

Gegen Umweltsenatorin Schreyer erhob das HMI gestern schwere Vorwürfe. Sie versuche, das Genehmigungsverfahren „mit bürokratischen Mitteln so lange wie möglich hinauszuzögern“. Zur Zeit sei zwar noch die Behörde von Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD) für Teilerrichtungsgenehmigungen zuständig, Schreyer bedinge sich jedoch jetzt schon das Recht aus, die Bescheide mitzuzeichnen. „Dort bleiben sie liegen“, klagte der mit Informationen aus Mitzscherlings Behörde offenbar gut versorgte HMI-Mann Stiller. Der alte Senat hatte eine Betriebsgenehmigung für den August 1989 in Aussicht gestellt.

„Sicherheit geht vor Termindruck“, hielt Schreyers Sprecher von Bargen gestern dagegen. Deshalb könne die Umweltsenatorin auch keinen Zeitplan für das Verfahren vorlegen, wie ihn das HMI gestern erneut forderte. Die SPD -SenatorInnen Riedmüller und Mitzscherling sprangen dem Institut dagegen gestern zur Seite. Mitzscherlings Sprecher Heinze sagte, die Wirtschaftsverwaltung lege „großen Wert auf eine Beschleunigung des Verfahrens“. Die für das Verfahren überhaupt nicht zuständige Wissenschaftssenatorin sicherte in einem Gespräch mit Bundesforschungsminister Riesenhuber gestern gar „einen verbindlichen Zeitplan für das weitere Verfahren zu“. Riedmüller habe dieses Versprechen im Namen des gesamten Senats abgegeben, erläuterte ihre Sprecherin Kneit. Von Bargens Kommentar: „Die Zuständigkeit ist im Senat eindeutig geregelt.“ Während Riedmüller in den letzten Tagen mehrfach verkündet hatte, sie stünde hinter dem BER II, ließ die Umweltsenatorin gestern verlauten, derartige „plakative Erklärungen“ könne sie nicht abgeben.

Der Forschungsreaktor BER II diene nicht der Entwicklung kerntechnischer Anlagen, sondern der Materialforschung, betonte die HMI-Leitung. Ein Forschungsprojekt, das sich der Endlagerung radioaktiver Stoffe widmet, werde Ende des Jahres in Berlin eingestellt und nach Karlsruhe verlagert, versicherte Stiller. Die Gefahren, die der Reaktor für die benachbarten Wohngebiete heraufbeschwören könne, seien „unvergleich niedriger“ als bei Atomkraftwerken.

Die AL widersprach dem gestern und erklärte, das HMI handele leichtfertig, wenn es auf die „risikoträchtige Atomtechnologie“ setze. Es könne auch ohne den Atomreaktor seine Forschung fortsetzen. Die vom HMI beantragten Strahlenhöchstwerte von 30 Millirem seien zu hoch, kritisierte die AL weiter, außerdem sei das Dach des Reaktorgebäudes nicht gegen Flugzeugabstürze ausgelegt. Auf die Frage, warum der Reaktor nicht durch eine Betonschutzhülle (Containment) gesichert sei, verwies das HMI gestern auf die hohen Kosten. Mit 100 Millionen Mark stünden sie bei Gesamtkosten von 170 Millionen nicht mehr in einem „vernünftigen Verhältnis zum Risiko“.

hmt