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Kirchentag kuscht vor Ceausescu

Rumänischer Botschafter und Bischof aus Siebenbürgen protestierten gegen Teilnahme der Schriftsteller Herta Müller und Richard Wagner an Veranstaltung des Kirchentages / Prompt wurde Wagner ausgeladen / Auf dem Podium sitzt jetzt Lukas Beckmann  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - „Ach Gott, wir kriegen pausenlos Ratschläge, wen wir einladen sollen und wen nicht“, sagt Dr.Carola Wolf, die Sprecherin des am Mittwoch in Berlin beginnenden evangelischen Kirchentages, „aber entscheiden tun wir immer selbst.“ So sind denn wohl himmlische Zufälle dafür verantwortlich, daß der bekannte Kritiker des rumänischen Regimes, der Schriftsteller Richard Wagner, am Freitag abend nicht auf dem Podium der Kirchentagsveranstaltung „Die rumänische Wohnung im europäischen Haus“ sitzen darf. Er wurde ausgeladen. Das geschah, nachdem der rumänische Botschafter einen wütenden Brief geschrieben und Bischof Albert Klein aus Siebenbürgen bei anderen Oberhirten heftig gegen die „Einmischung in innere Angelegenheiten Rumäniens“ interveniert hatten, wie aus verschiedenen der taz vorliegenden Dokumenten hervorgeht.

Es ist die einzige Veranstaltung, die im offiziellen Programm ohne Namen von Referenten oder Teilnehmern des anschließenden Podiumsgespräches angekündigt wird. Zu den eingeladenen Akteuren gehörten laut Liste vom 17.Februar 1989 neben dem Landesbischof Prof.Dr.Joachim Heubach und anderen auch das Ehepaar Herta Müller und Richard Wagner. Diese „beunruhigende Nachricht über das Programm“ ereilte den mächtigen Bischof Albert Klein aus Siebenbürgen. Ein Mann, der aus seinen Beziehungen zu Bonn und seinem Respekt vor dem rumänischen Conducator (Führer) nie einen Hehl macht. Klein beriet sich mit anderen kirchlichen Funktionären des Balkanlandes. Das Ergebnis übermittelte er dem „lieben Bruder Heubach“. Mit der Teilnahme des „aus dem Banat ausgewanderten Ehepaares Wagner-Müller“ an dem Forum „ist die Anprangerung Rumäniens vorauszusehen“. Schließlich seien die beiden „über die Medien (...) durch schärfste Kritik der Verhältnisse in Rumänien weithin bekannt geworden“. Die „Verhältnisse“ kümmern den Bischof und seine Mannen wenig. Er sorgt sich um die „Beziehungen unserer Kirche zur EKD“ und die „weitere Zusammenarbeit“, die durch die Teilnahme von Müller und Wagner „in Frage gestellt wird“. Deshalb verlangte Klein von Bischof Heubach, „im Einvernehmen mit allen zuständigen Stellen dahingehend zu wirken, daß die Leitung des Evangelischen Kirchentages ihren Beschluß zur Abhaltung eines Forums Rumänien überprüft“. Ebenfalls im März protestierte der rumänische Botschafter in Bonn, Marcel Dinu, gegen die geplante „Verleumdung meines Landes“. Als „Beweis“ nennt Dinu in seinem Brief „die Teilnahme an dieser Veranstaltung einer Person, die uns durch ihre oft geäußerte, offengekündigte, feindselige, antirumänische Position sehr bekannt ist“. Der mit Schreibfehlern übersäte Text beinhaltet ferner den Vorwurf eines „Versuchs der Einmischung in die inneren Angelegenheiten meines Landes“. Deshalb wies der Botschafter seine Einladung zurück. Die Kirchentagsleitung trotzte dem Druck. Doch Bischof Kleins Verweis auf die Banater Herkunft von Müller und Wagner muß den Organisatoren eingeleuchtet haben. Auf der Teilnehmerliste vom 3.Mai fehlt Richard Wagner.

Den Grund teilte Pressesprecherin Wolf dem Schriftsteller am gleichen Tag mit: „Wir haben (...) festgestellt, daß unter den Beteiligten zwei Banater, aber kein Siebenbürger ist. Aus mancherlei Gründen halten wir dies nicht für sehr gut. Deshalb bitten wir Sie um Ihr Verständnis, an Ihrer Stelle einen Siebenbürger zum Thema 'Minderheiten‘ gewinnen zu können.“ Das Verständnis fehlt Wagner. Auch die weiterhin geduldete Herta Müller lehnte dankend ab. Für sie sprang Lukas Beckmann von den Grünen ein, wie Wolf mitteilte.

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