„Wir hoffen auf den Bürgerkrieg“

■ Zwei chinesische Wissenschaftler der Bremer Uni zum Massaker in ihrer Heimat

In einem engen, von Papier überfluteten Zimmer im Naturwissenschafts-Bunker der Universität sitzen mir zwei chinesische Akademiker gegenüber, Mitglieder der „Vereinigung der chinesischen Studenten und Wissenschaftler in Bremen“. Sie sind, ebenso wie vierzig weitere Landsleute, über wissenschaftliche Kooperationsverträge an Bremens Hochschulen gekommen, um dort zu studieren, zu promovieren oder in Lehre und Forschung zu arbeiten. Die „Vereinigung“ verurteilt geschlossen das brutale Vorgehen der Regierung gegen die demonstrierenden StudentInnen auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking, ungeachtet mancher Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei.

In den letzten Tagen haben die Bremer Chinesen versucht, in der Bundesrepublik die Unterstützung für ihre Pekinger KommilitonInnen zu organisieren, „klarzumachen, daß wir auch gegen die jetzige brutale Regierung sind,“ wie einer von ihnen erläutert.

Mit den Angehörigen in Peking haben die beiden Uni -Mitarbeiter am Sonntag zum letzten Mal telefoniert. Mit Skepsis und Zurückhaltung, denn sie sind sicher, daß die Gespräche abgehört werden und sie ihre Familien mit allzu offenherzigen Telefonaten in Gefahr bringen. Noch vor wenigen Wochen, berichten sie, „haben wir allen erzählt, wie gerne wir in Peking auf der Straße dabei wären. Damals haben wir ein bißchen Vertrauen in die Regierung gehabt“.

Das ist heute restlos verschwunden. Unverständnis, Trauer und ohnmächtige Empörung sei die erste Reaktion bei ihnen gewesen. Unglaube auch, daß das eigene Militär alle Träume vom friedlichen Wandel, für den sie so viele Indizien zitieren können, zerschossen hat. Und dennoch setzen sie alle ihre Hoffnungen auf die Streitkräfte: „Wenn es jetzt einen Bürgerkrieg gibt, werden wir zurückkehren und in die Armee gehen, um für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Aber wenn sich die Regierung der alten Männer durchsetzt, dann ist es gefährlich für uns, zurückzugehen.“ So ist für beide das Bild von der Armee des Volkes nicht zerstört, nach wie vor gilt als diejenige Instanz, die der breiten Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft Ausdruck geben kann.

Die Ereignisse in Peking haben die chinesischen StudentInnen im Ausland zu einem intensiveren Zusammenschluß veranlaßt. Für die Bundesrepublik ist ein Zentralverband gegründet worden und weltweit hat sich ein Kommunikationssystem per Mailbox installiert. Die Computer-Vernetzung, die bislang den Briefen zwischen persönlichen Freunden vorbehalten war, wird nun zum Medium weltweiter Verständigung der vielen chinesischen Auslandskolonien.

Andreas Hoetzel