AL erwägt Untersuchungsausschuß

Polizeiexpertinnen der AL bekunden Mißtrauen gegenüber Polizeiführung  ■ I N T E R V I E W

Der SPD-Innensenator hat sich jetzt demonstrativ vor seine Polizeiführung gestellt und einen Untersuchungsausschuß über den Polizeieinsatz am 1. Mai abgelehnt. Die Koalitionspartnerin AL zeigt sich in diesem Konflikt zwar eher ratlos, behält aber ihr Mißtrauen. Die beiden Vertreterinnen der Al im Innenausschuß, Renate Künast und Lena Schraut, erklären, warum.

taz: Euer Koalitionspartner SPD hat jetzt die Polizeiführung umarmt. Wie steht es um euer Vertrauen in diese Polizeiführung?

Lena Schraut: Bei uns ist eher gesundes Mißtrauen an der Tagesordnung. Das findet seine Bestätigung auch darin, daß führende Polizeibeamte allen und jedem kundtun, daß man ihnen nichts wird nachweisen können.

Worauf bezieht sich dieses „nichts“?

Renate Künast: Das bezieht sich sowohl auf die Vorbereitung als auch auf die Durchführung des Polizeieinsatzes am 1. Mai. Bestätigt sehen wir unser Mißtrauen auch dadurch, daß die Polizisten, die in Kreuzberg eingesetzt waren, jetzt nicht mehr die hohe Zahl von Verletzten problematisieren, wie das noch unlängst bei der Polizeidemonstration der Fall war. Jetzt diskutieren sie, welche Rolle die Polizeiführung bei der Inszenierung des 1. Mai gespielt hat.

Warum fordert ihr nicht personelle Konsequenzen in der Polizeiführung?

Lena Schraut: Bei dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse könnten personelle Konsequenzen nur ein Bauernopfer bedeuten. Die Verantwortung für diesen, aber auch für die Einsätze der vergangenen Jahre, die durch große Härte von sich reden machten und bei denen die Grundrechte vieler Bürger verletzt wurden, trägt aber die ganze Polizeiführung.

Warum verlangt ihr dann nicht mehr als ein Bauernopfer?

Renate Künast: Die Lösung dieser Probleme kann nicht nur personalpolitisch erfolgen. Wir werden noch einmal in der Fraktion über die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses diskutieren - auch auf der Basis der Stellungnahme des Polizeipräsidenten zum „Gintzel -Bericht“. Schertz betreibt eine Politik der Reinwaschung, in der er nicht einmal die berechtigte Kritik von Polizeibeamten aufgreift, sie seien verheizt worden. Wir haben immer kritisiert, daß die Politik die Polizei mißbraucht. Jetzt drängt sich uns der Verdacht auf, daß die Polizeispitze ihrerseits die Polizei mißbraucht. In dieser Suppe rührt auch die CDU.

Was könnte ein Untersuchungsausschuß bringen?

Renate Künast: Eine gründliche Aufklärung über das, was am 1. Mai wirklich los war. Eine inhaltliche Vermittlung eines Deeskalationskonzeptes gegenüber der Öffentlichkeit und möglicherweise auch personelle Konsequenzen.

Interview: Till Meyer