Bonner Primaten-Politik

Neue Atomachse Paris-Bonn besiegelt  ■ K O M M E N T A R E

Knapp zwei Monate nach der Entscheidung des Veba-Konzerns, seine Brennelemente statt in Wackersdorf auf dem Cap de la Hague wiederaufzuarbeiten, vollziehen die Bonner Polit -Primaten das „Primat der Politik“. Bis aufs Komma folgen sie dabei den Vorgaben der Atomlobby diesseits und jenseits der Grenze. Damit ist das „Aus“ für die WAA Wackersdorf amtlich, obwohl sie in der deutsch-französischen Erklärung mit keinem Wort erwähnt wird.

Es ist davon auszugehen, daß die Bonner Atomstrategen nach anfänglichem Zweifel die Abkehr von ihrem „nationalen Entsorgungskonzept“ inzwischen herzlich begrüßen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der ausgesprochen teure und für alle kommenden Wahlkämpfe nicht eben förderliche Zankapfel in der Oberpfalz ist vom Tisch. Der von den Atompolitikern als Schreckensbild an die Wand gemalte „technologische Fadenriß“ bleibt dennoch aus, weil die bundesdeutsche Stromwirtschaft in La Hague künftig mit von der Partie ist und die kleine WAA im Kernforschungszentrum Karlsruhe nicht zur Debatte steht. Auch die Infrastruktur zum Bau der Bombe, nach wie vor Objekt der Begierde einer Minderheit des bundesdeutschen Polit-Establishments, bleibt als Drohpotential unangetastet.

Entscheidend ist etwas anderes: Mit Hilfe der Auslagerung eines zentralen Bausteins der atomaren Infrastruktur und der Internationalisierung der Atomwirtschaft soll die in dieser Frage „wackelige“ Bundesrepublik langfristig auf europäischer Ebene auf die Atomenergie eingeschworen werden. Die projektierten Verträge zwischen Veba und Cogema reichen bis ins Jahr 2014. Der in der gemeinsamen deutsch -französischen Erklärung angekündigte Staatsvertrag über die atomare Zusammenarbeit wird dieselbe Laufzeit aufweisen. Wie auch immer er im einzelnen aussehen mag: Künftige Bundesregierungen werden an eine solche völkerrechtliche Vereinbarung gebunden sein. Und wer glaubt schon, daß Bundesreaktorminister Töpfer den Franzosen eine Formulierung abtrotzt oder abtrotzen will, die seinem potentiellen rot -grünen Nachfolger den Ausstieg durch die Hintertür offenläßt?

Gerd Rosenkranz