Studienfach Interdisziplinarität

■ An der FU bauen StudentInnen ein „Bertolt-Brecht-Institut für interdisziplinäres Arbeiten“ auf / Gemeinsam mit Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen komplexe gesellschaftliche Probleme angehen

„Wir wollen eine institutionalisierte Form kriegen“, lautet kurz und knapp die Maximalforderung der studentischen Initiative zum Aufbau des „Bertolt-Brecht-Institutes für interdisziplinäres Arbeiten“ (BBI). „wichtiger als die Form ist uns jedoch das organische Wachstum der Inhalte“, wird einschränkend sofort hinzugefügt.

Gegenwärtig basteln die etwa acht zum harten Kern des BBI gehörenden StudentInnen an einer Satzung und einem Finanzplan für das Projekt. Schon im kommenden Semester sollen dann erste Seminare und Projekte anlaufen. Als optimale Perspektive schwebt einigen der InitiatorInnen die Etablierung eines autonomen Studiengangs mit Scheinvergabe und Abschlußmöglichkeit vor.

Konsens herrscht in der Gruppe, daß zumindest ein „interdisziplinäres Basisstudium“ am BBI eingerichtet werden sollte. Die Studienordnungen an den Fachbereichen müßten dann entsprechend verändert werden.

Entstanden ist das BBI im letzten Streiksemester, als der Ruf nach Interdisziplinarität über den gesamten Campus hallte. Parallel zu interdisziplinären Projekten an den Fachbereichen taten sich StudentInnen zusammen, um ein übergreifendes Forum für Interdisziplinarität zu schaffen. Die Begründung: „Die Abschottung der einzelnen Disziplinen voneinander im gängigen Wissenschaftsbetrieb steht der Globalität und Komplexität gesellschaftlicher Probleme paradox gegenüber.“

Am BBI sollen jedoch nicht nur WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen zusammengebracht werden. Den InitiatoreInnen geht es vor allem darum, mit außeruniversitärem Sachverstand aus den sozialen Bewegungen, Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen zu kooperieren. „Das Wissen der Uni soll den gesellschaftlich aktiven Gruppen zur Verfügung gestellt werden, und die Wissenschaft kann so aus ihrem Elfenbeinturm rauskommen“, erläutert Nadja das BBI-Konzept. Es bestehen bereits Kontakte und entsprechende Projektvorhaben mit der „Deutschen Aids-Hilfe“ und der Vereinigung „Ärzte gegen den Atomkrieg“.

Um ihre weitere Planungs- und Organisationsarbeit und erste Veranstaltungen durchführen zu können, haben die BBIler rund zehn Anträge für das jüngst ausgeschriebene Tutorienprogramm gestellt. Darüber hinaus peilen die StudentInnen sechs bis acht WiMi-Stellen an. Dafür müßten Sondermittel der FU bereitgestellt werden. Ob das durchsetzbar ist, wissen die StudentInnen nicht. Zwar verfügt das Projekt über die politische Rückendeckung von Rot-Grün, doch hat die Koalition in ihrem Bemühen, die Hochschulautonomie zu stärken, signalisiert, daß die BBIler erst einmal den Gang durch die Unigremien, sprich Akademischen Senat und Kuratorium, gehen müssen.

Fertige Konzepte und Ideen, wie interdisziplinäres Arbeiten angesichts der enormen Kommunikationsprobleme zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen überhaupt ermöglicht werden könnte, haben die studentischen Initiatoren noch nicht. Geplant ist allerdings ein Projekt, daß einen Begriff von Interdisziplinarität und entsprechende Arbeitsformen erarbeiten soll. „Wir wollen zunächst einmal überhaupt auf den Bedarf reagieren“, erläutert Daniel das Vorgehen. Seine Kollegin Nadja sieht in einem gemeinsamen Ziel die Verständigungsbasis: „Es sollte in Richtung auf eine Handlungsanweisung zur Lösung bestimmter Probleme hin gearbeitet werden.“

Interdisziplinarität versprechen sich die BBIler auch durch Personalunion. „Wir sprechen ja vorwiegend einen ganz bestimmten Typus von Wissenschaftlern an - etwa als Naturwissenschaftler verkrachte Philosophen oder umgekehrt.“ Inwieweit das Institut mehr leisten kann, als bloß die soziale Dimension von Technologieentwicklung zu verdeutlichen, wird wohl entscheidend davon abhängen, ob sich Naturwissenschaftler und Mediziner verstärkt in die Arbeit des BBI einklinken werden. Noch besteht die Kerntruppe vollständig aus Philosophen, Soziologen und Germanisten.

Thomas Werres

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