BAD GIRLS GO TO HELL

■ The Incredibly Trashy B-Movies of Doris Wishman

Mythen basteln und Legenden stricken war zu seinen Glanzzeiten immer eine der Hauptaktivitäten Hollywoods. Und während dort schon seit langem wieder eine brave Sittsamkeit eingekehrt ist, entwickeln sich inzwischen ausgerechnet solche Filme zu begehrten Kultobjekten, die zum Zeitpunkt ihrer Entstehung völlig verkannt untergingen, publikumsmäßig floppten und von der gängigen Filmkritik mehr ignoriert denn verrissen wurden. Gemeint sind die Exploitation- und B -Movies, billig und zumeist ohne große Ansprüche abgedrehte Filme, die eher spekulativ als spektakulär die Filmgenres wilderten, die für Hollywood ein weitreichendes Tabu darstellten, also Sex und Horror.

In den sechziger Jahren kam es zu einem regelrechten Boom an Exploitation-Filmen, als klar wurde, daß gezielte Vermarktungsstrategien diese Filme zu kommerziellen Erfolgen machen können. Gerade bei den Sex-Filmen lag der simple Trick darin, mit Erwartungen zu kitzeln, die kaum erfüllt wurden und auch nur selten an die Grenze dessen gingen, was gerade noch erlaubt war. Typisch dafür war eine Anfang der Sechziger in die amerikanischen Kinos schwappende Flut an Nudie-Filmen, nachdem auch juristisch geklärt war, daß die filmische Darstellung nackter Körper in einem FKK-Camp erst dann wegen Anstößigkeit zu verbieten ist, wenn eine aufreizende Art sexuellen Verhaltens vorliegt, was im Klartext bedeutete: keine Körperberührungen und zweideutigen Annäherungen. Dementsprechend spannend und anmachend wirken diese Nudie-Filme heutzutage: Die Freikörper aalen sich in der Sonne, planschen im Wasser und vergnügen sich beim gemeinschaftlichen Volleyball; „freie Körper in freier Natur“, die heute nur noch unfreiwillig komisch wirken. Es versteht sich von selbst, daß die Kamera dabei niemals unter die Gürtellinie schwenkt.

Mit solchen Nudie-Streifen begann 1961/62 Doris Wishmans filmische Karriere, über die keiner was Genaues weiß; angeblich hat sie inzwischen 50-60 Filme gedreht, die meisten davon unter Pseudonymen, an die sie sich selbst nicht mehr erinnern kann. Der Großteil ihrer Filme ist irgendwann mal abhandengekommen, was sie nicht weiter kümmert. Sie wurden zum direkten Verbrauch produziert, und nicht, um damit später Filmbiographien zu füllen. Warum sie anfing, Filme zu machen? Angeblich fühlte sie sich nach dem Tod ihres Mannes leer und unausgefüllt und brauchte eine intensive Arbeit, um darüber hinwegzukommen, behauptet sie zumindest in einem der wenigen Interviews. Äußerst gesprächig packt sie darin auch filmtheoretischen Hintergrund in den Satz: „Zuerst fielen mir immer die Titel ein, drumherum sind dann die Filme entstanden.“

„Bad Girls Go To Hell“ ist solch ein für sie typischer, aufreißerischer Filmtitel, ein Streifen, in dem der sexuelle Alptraum einer Frau erzählt wird. Unter diesem Motto steht auch das erste etwas umfangreichere Filmfestival mit den „Incredibly Trashy B-Movies“ der Doris Wishman, veranstaltet vom 'Slut Journal‘, einem geplanten Magazin, das ab dem Spätherbst sich ausschließlich mit Exploitation, Trash-, Sleaze- und Horrorfilmen abrackern wird, und dem Verleih „Shock Film“. Nachdem sich die Nudies erschöpft hatten, ging Doris Wishman einen Schritt weiter und begann, Exploitation -Filme zu drehen, die eine dürftige Handlung mit geballter Action kaschierten, in der sich alles um den Kampf der Geschlechter, um Gewalt, um Verbrechen und sexuelle Perversionen und Ausschweifungen dreht. Diese Filme wie „The Sleazoids“, „The Scumsuckers“ und eben auch „Bad Girls Go To Hell“, alle Mitte der Sechziger gedreht, sind schon von einem härteren Kaliber. Aber auch hier sind der Moral- und Skrupellosigkeit natürlich durch die Zensur Grenzen gesetzt.

Im ständigen Clinch mit diesen Vorgaben entwickelte Wishman eine äußerst bizarre, eigenwillige Kameraarbeit, bei der man sich endlos darüber streiten kann, ob sie nun ein Ausmaß hochgradiger Stümperei oder einen innovativen Bilderfetischismus darstellt. Es gibt unendlich lange Einstellungen nur von Füßen oder Lippen, ständig verkantet sich die Kamera und reduziert die Schauspieler auf Ober oder Untersicht, falls sie mal nicht ganz außerhalb des Bildfeldes plaziert werden. In Kombination mit Dekors und Ausstattungen, die an Scheußlichkeiten kaum noch zu überbieten sind, und schauspielerischen Hampeleien, die absolut lächerlich wirken, werden ihre Filme zu einem durch und durch schrägen Vergnügen.

Auf die Porno-Hochkonjunktur Anfang der Siebziger reagierte sie prompt mit sexuell freizügigen Filmen, die durch obskure, abgedrehte Geschichten herausstechen. Etwas bekannter wurde sie durch zwei Filme mit dem monströsen Busenwunder (Diese Wahl der Sprache! Kein Unterschied mehr zur Asphaltpresse! Großartig! Lob dem monströsen Autorenwunder! d. säzzer) Chesty Morgan: „Deadly Weapons“ und „Double Agent 73“, die aber noch harmlos wirken im Vergleich mit dem Penisneid-Streifen „The Amazing Transplant“ und der „Sex Operation„-Shockumentary „Let Me Die A Woman“. Doris Wishman ist angeblich immer noch munter, wenn auch mit etwas reduzierter Aktivität, im Exploitation -Business tätig. Bleibt nur zu hoffen, daß nicht wieder 25 Jahre verstreichen müssen, um diese neueren Produktionen von ihr mal sehen zu können.

DOA

Filme von Doris Wishman im Eiszeit: 10. + 11.6. „Nudie -Double“, 16. + 18.6. „Sex Operation-Double“, 24. + 25.6. „Sleaz'n'Scum-Double“, jeweils 23 Uhr.