Plakat: Neue Bewegung in die IG Metall

Gerd Rathgeb, Betriebsrat und führendes Mitglied der „Plakat„-Gruppe bei Daimler-Benz, zur Wiederaufnahme der Plakatler in die IG Metall  ■ I N T E R V I E W

taz: Nachdem es fast zwanzig Jahre getrennte Listen zu den Betriebsratswahlen bei Daimler-Benz in Untertürkheim gab, gibt es ab der nächsten Wahl im Frühjahr 1990 nun wieder eine gemeinsame Liste von IG Metallern. Nach mehreren Verhandlungen mit der IG Metall Stuttgart und Esslingen gab es am Dienstagnachmittag eine Eingung: Die oppositionelle Gruppe „Plakat“ wird wieder in die IG Metall aufgenommen. Wie sind die ersten Reaktionen im Betrieb?

Gerd Rathgeb: Die ersten Reaktionen sind grundsätzlich positiv. Die Mehrheit der hier Beschäftigten hofft, daß damit eine gute und verbesserte Vertretungsarbeit im Betriebsrat gemacht werden kann. Die Mehrheit erhofft allerdings auch, daß die „Plakat„-Gruppe als politische Gruppe erhalten bleibt und ihre Funktion weiterhin wahrnimmt, die Probleme beim Namen zu nennen und auch den Prozeß einer Demokratisierung der Gewerkschaften und eine größere Offenheit voranzutreiben. Es gibt natürlich auch Stimmen, auch innerhalb der IG-Metall-Fraktion der Betriebsräte, die dieses Ergebnis als fast unerträglich empfinden und große Probleme damit haben, weil sie spüren, daß damit innerhalb der IG Metall möglicherweise mehr Bewegung entsteht und mehr Konfliktstoff in die eigenen Reihen kommt.

Eure langjährigen Prinzipien, Offenheit in der Organisation und auch in der Betriebsratsarbeit, Transparenz und weitestmögliche Information, die werdet ihr auch nach der Wiederaufnahme in die IG Metall verfechten?

Natürlich. Wir werden innerhalb der IG Metall immer unsere Finger auf die Wunden legen. Wir werden immer dafür sein, daß die Belegschaft so breit wie möglich in die Diskussion und die Meinungsbildung einbezogen wird. Und wir werden versuchen, innerhalb der IG Metall eine größere Transparenz zu schaffen und wirklich auf allen Ebenen demokratische Vorgehensweisen durchzusetzen.

Bei den Verhandlungen schienen einige Punkte zunächst gar nicht so ganz einfach zu klären zu sein. Zum Beispiel die Frage des Modus zur Aufstellung der IG-Metall-Liste zur Betriebsratswahl. Wie sieht das Ergebnis jetzt aus?

Das Ergebnis sieht so aus, daß jetzt auch nach außen hin sichtbar wird, daß es sich um einen Integrationsprozeß handelt. Die Betriebsräte der „Plakat„-Gruppe werden eben nicht ans Ende der Liste gesetzt, sondern tauchen von Platz acht bis Platz 27 gleichmäßig verteilt auf der Liste auf. Das sind aussichtsreiche Plätze. Damit wird auch unseren Wählern deutlich, daß es hier nicht nur um ein Anhängsel geht, sondern der Versuch offensichtlich da ist, uns zu integrieren und eine gemeinsame Arbeit zu ermöglichen. Und dadurch, daß wir möglicherweise schon ab diesem Sommer Mitglieder der IG-Metall-Fraktion im Betriebsrat und Mitglieder des Vertrauenskörpers sind, werden wir natürlich bis zur Wahl die Möglichkeit haben, dort unsere Positionen deutlich zu machen und dort eben auch dafür zu werben, daß die von der „Plakat„-Gruppe vorgeschlagenen Kandidaten auch gewählt werden. Das ist eine Übergangslösung, das haben wir auch immer so gesehen, immer unter der Voraussetzung, daß dann ab der darauffolgenden Wahl 1994 jeweils die Vertrauensleute-Vollversammlung den Modus zur Listenaufstellung bestimmt.

'Plakat‘, eure Betriebszeitung, die ihr über lange Jahre herausgegeben habt, wird nicht mehr erscheinen. Das ist auch ein Teil des Verhandlungsergebnisses. Wie wird es mit der Informationspolitik im Betrieb weitergehn?

Wir werden natürlich genau überlegen, auf welche Basis wir unsere zukünftige Informationspolitik stellen. Wir sind der Auffassung, daß es der politischen Gruppe „Plakat“ natürlich weiterhin möglich ist, und daran arbeiten wir auch, unsere politischen Stellungnahmen, unsere Meinungen zur Entwicklung des Konzerns darzustellen. Wenn man zum Beispiel an die Rüstung und die ökologischen Probleme im Zusammenhang mit dem Autoverkehr denkt, dann sehen wir ein großes Feld, auf dem es innerhalb der Belegschaft Informationsarbeit zu machen gilt. Dies eben dann nicht mehr als Betriebsrats -Gruppe, sondern als politische Gruppe. Daher werden wir zwar den Namen „Plakat“ einstellen, aber nicht darauf verzichten, weiter Informationsarbeit zu betreiben und auf Fragen aufmerksam zu machen, die zum Teil eben auch über den Betrieb hinausgehen.

Ihr hattet als Gruppe „Plakat“ in den vergangenen Jahren beachtliche Erfolge im Betrieb zu verzeichen. Warum habt ihr es trotzdem immer wieder darauf angelegt, in die IG Metall zurückkehren zu können?

Weil wir uns immer schon als Gewerkschafter verstanden haben. Wir sind der Meinung, daß nach 20 Jahren der Zeitpunkt gekommen ist, die Signale nach mehr Öffnung, nach mehr Toleranz innerhalb der Gewerkschaft aufzugreifen. Wir sind der Auffassung, daß es notwendig und sinnvoll ist, innerhalb der Gewerkschaft diese Prozesse mit weiterzutreiben, die Streitkultur mit zu prägen und damit die Gewerkschaft insgesamt auch weiterzubringen. Auch im Sinne derer, die der Gewerkschaft gegenüber sehr skeptisch sind und das Problem haben, daß die Gewerkschaft doch noch zu stark einen Einheitsmeinung von oben nach unten durchdrückt und zu wenig Leben an der Basis ermöglicht.

Interview: Maria Kniesburges