Die Anderen

■ China: El Pais / La Stampa / Times / Asahi Shimbun * WAA Wackersdorf: Basler Zeitung / Abendzeitung München / Frankfurter Rundschau

El Pais

Zur dramatischen Entwicklung in China meint die liberale spanische Zeitung:

Das Bild eines Jungen, der eine Karawane von Panzern auf dem Platz des Himmlischen Friedens aufhält, erinnert an die Schrecken der ungarischen Bürger, die 1956 die sowjetischen Panzer in den Straßen von Budapest aufhalten wollten. Bei beiden Gelegenheiten war es zu spät, und die Würfel waren gefallen, aber heute befindet sich in China außerdem die Unterdrückerarmee am Rand eines Bürgerkriegs...

Was geschieht wirklich in China? Wo ist Deng Xiaoping, den man seit drei Wochen nicht mehr gesehen hat? Der alte politische Führer ist zusammen mit Staatschef Yang Shangkun und Regierungschef Li Peng für die gegenwärtige Schlächterei verantwortlich. Die Undurchsichtigkeit, die jedes autoritäre Regime kennzeichnet, hat jedoch verhindert, daß man die Auswirkungen der Studentenrebellion auf die Führungsriege der kommunistischen Partei erfährt...

Eine Gesellschaft, deren Bevölkerung viermal so groß ist wie die der Europäischen Gemeinschaft, kann man nur mit einem Minimum an sozialem Konsenz regieren. Deswegen dient der Weg der Unterdrückung nicht einmal dazu, die Stabilität zu garantieren.

La Stampa

„Wie man aus dem Kommunismus wieder herauskommt“, überschreibt die liberale Turiner Zeitung 'La Stampa‘ ihren Kommentar zum Ausgang der Wahlen in Polen.

Das Massaker von Peking ist die letzte Tragödie des Weltkommunismus, ein Blitz der Barberei auf dem Weg zum Untergang. Und unterdessen geht der Kommunismus auch in Polen unter, auf eine ganz andere Art, mit den massiven Stimmen für die Opposition in den ersten fast freien Wahlen nach der Annektion des Landes in die politische und ideologische Sphäre der UdSSR. Das war vorgesehen, es ist dennoch nicht weniger beeindruckend.

Wenn man vom Untergang redet, so muß man das jedoch richtig verstehen. Es ist der düstere und dramatische Untergang einer Vision der Welt, einer Prophetie, aber noch nicht eines Systems der Macht und seiner materiellen Gewalt. Wenn in Peking die größte gewaltlose Erhebung der Geschichte für den Augenblick - wenn auch noch nicht ganz - niedergeworfen worden ist, so bleibt in Warschau auch nach einer großen Mißtrauenskundgebung des Volkes die kommunistische Partei an der Macht oder zumindest in einer führenden Rolle.

Times

Die Ereignisse der letzten Tage nimmt die Londoner 'Times‘ zum Anlaß für folgenden Kommentar:

Die sich überschlagenden Ereignisse des Juni 1989 dürften für jene, die sich künftig mit dem Weltkommunismus befassen, zum interessanten Studienobjekt werden. Die Bewegung, die mit der Oktoberrevolution begann, hat jetzt ihre kritischste Phase seit dem Tod Stalins erreicht. Der ungewöhnliche Wahlsieg der Solodarität in Polen macht Hoffnung auf eine friedliche Reformierung; die chinesische Unterdrückung deutet eher auf das Gegenteil hin; Gorbatschow setzt auf einen Mittelweg. Unabhängig davon, welcher Weg auch eingeschlagen wird - dem Marxismus steht ein Wandel bevor.

Asahi Shimbun

Die liberale japanische Zeitung 'Asahi Shimbun‘ appelliert an die Regierung in Tokio, ihren Einfluß auf Peking geltend zu machen.

Wenn die chinesische Regierung nicht aufhört, auf ihre Bürger zu schießen, wird der Austausch zwischen Japan und China schrumpfen. Wir fordern die japanische Regierung auf, alle notwendigen Maßnahmen für die Sicherheit japanischer Menschen und Firmen in China zu ergreifen und den chinesischen Machthabern klarzumachen, wie sehr die gegenwärtige Situation die Beziehungen zwischen beiden Ländern schädigen kann. Dieser Rat ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas. Es ist die Sehnsucht Asiens und der Welt, daß China das Problem friedlich löst und die Sicherheit wiederherstellt. Unter diesem Gesichtspunkt sollte Japan, ein Land mit freundschaftlichen Beziehungen zu China, es als seine Mission betrachten, durch offizielle und inoffizielle Kanäle zur Einstellung der Gewalt aufzurufen.

Basler Zeitung

Die unabhängige 'Basler Zeitung‘ meint zum Verzicht auf die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf:

Die Vergangenheit hat gezeigt, daß Energiemonopole im Konfliktfall nicht im Interesse der Bevölkerung, sondern nach ökonomischen Kriterien entscheiden. Tschernobyl führte drastisch vor Augen, daß die Folgen von atomaren Großkatastrophen nicht an den Landesgrenzen haltmachen.

Eine Wiederaufarbeitung in Frankreich ist deshalb nichts anderes als eine Verlagerung deutscher Energieprobleme und deutscher Verantwortung ins Ausland. Der Wackersdorf -Verzicht könnte sich als Pyrrhussieg entpuppen.

Nachdenklich stimmt auch, auf welche Art und Weise sich die gegenwärtige Regierung in Bonn vom Großprojekt in Wackersdorf verabschiedet hat (...) Da fehlt nur noch, daß Kanzler Kohl den Verzicht auf Wackersdorf als sein eigenes, ganz persönliches Verdienst hinzustellen versucht.

Abendzeitung

Die Münchner Tageszeitung schreibt zum gleichen Thema:

Die eine Milliarde, die Ministerpräsident Max Streibl jetzt als Trostpflaster bei der Energiewirtschaft auch nur zur Hälfte lockermachte, ist zwar mehr als gar nichts, aber trotzdem wenig. Rund zehn Milliarden haben die Energieunternehmen über die Erhöhung der Strompreise als WAA -Rücklage angehäuft. Da können sie die halbe Milliarde leicht aus den Zinsen hinblättern. Gut, daß es auch Warner gab. Wie den mutigen Landrat Schuierer, der schon vor acht Jahren sagte, die WAA werde nie in Betrieb gehen. Strauß ließ ihn verfolgen, aber Schuierer behielt Recht. Ebenso wie die vielen Bürger, die für ihren Protest zu Vorbestraften wurden. Hoffentlich werden neben den Bau- nun auch die Gerichtsakten geschlossen.

Frankfurter Rundschau

Daß die bundesdeutsche Stromwirtschaft nun eine Milliarde lockermachen muß, um einen erträglichen Atomabgang aus Wackersdorf machen zu können, wird sie angesichts der genannten Ersparnisse leicht verschmerzen. Zwar werden in der Oberpfalz, was zu begrüßen ist, nun neue Arbeitsplätze entstehen, doch wird von Wackersdorf nach den bisher bekannt gewordenen Plänen trotz Solarzellenfabrik kaum der dringend nötige Impuls für eine Neuorientierung der gesamten Energiepolitik ausgehen. Dazu bedürfte es mehr, als den Ausstoß der Solarzellenproduktion zu erhöhen.

Minister Töpfer war es, der vor Jahresfrist die Einrichtung eines Großforschungszentrums erneuerbarer Energien forderte, um „glaubwürdig darzustellen, daß wir in der Bundesrepublik alles tun, um bei der Energieeinsparung und der Erforschung anderer Energiequellen vorankommen“. Im Post-Atom -Wackersdorf wäre dafür (immer noch) der Ort.