Regierung beugt sich Vorurteilen

■ Aussiedler: Statt Arbeitslosengeld Eingliederungshilfe für ein Jahr / Einschränkungen auch beim Wohngeld und der Vergabe von Sozialwohnungen / Neuankömmlinge und Einheimische sollen gleich behandelt werden

Berlin (dpa/taz) - Die Bundesregierung will die Eingliederungshilfen für Aus- und Umsiedler drastisch kürzen. Nach einem Beschluß der Bonner Kabinettsrunde soll den Aussiedlern künftig statt des Arbeitslosengeldes pauschal ein niedriegeres Eingliederungsgeld gezahlt werden. Mit dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes am 1.Januar kommenden Jahres werden dann auch Begünstigungen bei der Vergabe von Sozialwohnungen, beim Wohngeld und im Steuerrecht ebenfalls eingeschränkt.

Wie die Minister Schäuble und Blüm am Dienstag bekanntgaben, soll der Entwurf im parlamentarischen Schnellverfahren verabschiedet werden und möglichst bis zum 1. Januar in Kraft treten. Dabei stünden Einsparungsmaßnahmen weniger im Vordergrund. Mit dem Entwurf solle vielmehr eine Gleichbehandlung von Neuankömmlingen und Einheimischen erreicht und damit auch den Vorbehalten gegen Aussiedler begegnet werden.

Der Wegfall des Arbeitslosengeldes ist Kernstück des Maßnahmenkataloges, der nur für die Aussiedler gelten soll, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes in die BRD kommen. Sie sollen künftig zwölf Monate lang ein Eingliederungsgeld erhalten. Dazu müßte sie nachweisen, daß sie in ihren Herkunftsländern mindestens fünf Monate als Arbeitnehmer beschäftigt waren. Der Pauschalbetrag soll für Ledige 928 Mark und für Verheiratete einschließlich Familienzuschlag 1.141 Mark monatlich betragen. Die Kasse der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit wird allein durch diese Maßnahme um voraussichtlich 430 Mio. Mark entlastet.

Bei der Zuteilung von Sozialwohnungen sollen für Aus- und Umsiedler keine höhere Einkommensgrenzen mehr gelten. Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, auch bei der Ermittlung der Wohngeldberechtigung einen bisher gewährten besonderen Freibetrag zu streichen. Allein beim Wohngeld würden im ersten Jahr 38 Mio., im vierten schon 116 Mio. Mark eingespart werden, wie Innenminister Schäuble erklärte. Die Entschädigung für den Verlust des Haushaltes soll im Verfahren vereinfacht und auf den Pauschalbetrag von 1.400 Mark festgelegt werden. Und die Verwandten eines nichtdeutschen Ehepartners dürften dann auch nicht mehr entsprechend den Regelungen zur Familienzusammenführung nachgeholt werden. Für sie sollen die restriktiven Bestimmungen des Ausländergesetzes gelten. Die Rentenregelung ist im Gesetzentwurf ausgeklammert.

Den angeführten Zahlen liegen Schätzungen von weiteren 300.000 Aussiedlern aus Ost- und Südosteuropa und von 60.000 Umsiedlern aus der DDR zugrunde. Letztes Jahr kamen aus beiden Gruppen etwa 240.000 Menschen in die BRD.

Kritik an den Bonner Plänen kam aus den Reihen der SPD und der Vertriebenenverbände. Die SPD-Abgeordneten Gerlinde Hämmerle und Günther Heyenn befürchteten in der Folge der Einsparungen ein Heer von Sozialhilfeempfängern. Die im Bund eingesparte halbe Milliarde Mark müßte dann aus den Sozialhilfekassen der Gemeinden aufgebracht werden.

wg