CDU maßregelt Wahlplakatkritiker

Dortmunder CDU-Stadtbezirksvorsitzender aller Parteiämter enthoben / Zweijähriges Funktionsverbot wegen Kritik am Wahlslogan „Radikale und SPD - Wohlstand ade“  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der Streit in der CDU über die Europawahlplakate mit dem Slogan „Radikale und SPD, Zukunft und Wohlstand ade“ endete am vergangenen Wochende für den Dortmunder Christdemokraten Norbert Gurske mit dem Verlust aller Parteiämter. Für zwei Jahre belegte der CDU-Kreisvorstand den aufmüpfigen Stadtbezirksvorsitzenden mit einem Funktionsverbot. Gurske, der auch Bundesvorsitzender der Initiative „Christliche Demokraten für Schritte zur Abrüstung (CDSA)“ ist, hatte in einem Brief an den CDU-Bundesvorstand angekündigt, das Plakat nicht einzusetzen, und den Wahlslogan als „unwürdig“ für eine Partei erklärt, „die das C in ihrem Namen führt“. Die „SPD in die Nähe von Radikalen zu rücken“ sei, so Gurske, „nicht nur schlechter Wahlkampfstil, sondern auch eine Beleidigung aller demokratischen Kräfte in unserem Land“. Die Plakate der Bonner CDU-Wahlkampfleitung hatten auch in anderen NRW-Kommunen heftige parteiinterne Kritik ausgelöst. In Aachen überklebten die örtlichen CDUler vorübergehend die ungeliebten Parolen. Gurske wird gegen die Maßregelung das Parteigericht anrufen. Als Rechtsbeistand vertritt ihn Prof. Dr. Voges, selbst jahrelang stellvertretender Kreisvorsitzender der Dortmunder CDU. Voges bezeichnete den Kreisvorstandsbeschluß als „abwegigen, oberlehrerhaften und pseudojuristischen Erziehungsversuch“. Offiziell begründet der Kreisvorstand die Absetzung mit „nicht ordnungsgemäßer Amtsführung“.

Wie die Dortmunder CDU ihren „mit sofortiger Wirkung“ gefaßten Beschluß umsetzen will, steht dahin. Norbert Gurske will jedenfalls weitermachen wie bisher, denn „ich gehe davon aus, daß ich nicht abgesetzt bin“, sagte der ungeliebte Christdemokrat der taz. „Ich bin in meinen Stadtbezirk gewählt worden, und die Mitglieder unterstützen mich. Nur sie können mich abwählen.“ Gegen die Disziplinierung ihres Vorsitzenden hat der Bundesvorstand der CDSA heftig protestiert. Die parteiinterne Bestrafung, so Vorstandsmitglied Keller, „mag in der SED, der Partei Erich Honeckers, üblich sein“, aber für eine CDU, die „in der Tradition Karl Arnolds und Jakob Kaisers steht, ist dies absolut befremdlich“.