Musikalische Abrißbirnen

■ „Homestead„-Festival mit drei amerikanischen Bands im Römer

Unbekanntere Musikgruppen haben neben vielen Nachteilen auch ein kleines Privileg. Sie sind häufig für eine Überraschung gut. Das war beim Mini-Festival der drei amerikanischen Rockgruppen des „Major Independent Labels“ Homestead im Römer nicht anders. Mit Bastro aus Kentucky präsentierte sich ein Trio auf der kleinen Bühne im Fehrfeld, das mit konsequenter Beharrlichkeit immer den berühmten Ton danebenlag. Wie alle Bands des Abends waren sie nie vorher in Europa. Hier in der alten Welt sei die Aufnahme durch die Veranstalter und das Publikum viel herzlicher und überhaupt stelle sich die künstlerische Situation

hier absolut besser dar. Daß der Konkurrenzdruck zumindest gravierende Auswirkungen auf die technischen Fertigkeiten der einzelnen Musiker hat, bewies der junge Drummer John McIntyre eindrucksvoll. Mit seiner flexiblen Spielweise und den vielen Tempowechseln avancierte er zum heimlichen Star der Band. Hinter seinem eigenartigen Instrument, das an die Geräte des ganz jungen Ginger Baker erinnerte, trieb er seine Mitspieler vor sich her.

Den zweiten Set bestritten dann die agilen John Beers (dr, git, voc) und Charles Kramer (git, voc) alias Happy Flowers, denen ohne jede Übertreibung die

größte Wirkung aller Bands zugestanden werden muß. Nach anfänglichem Herumgerede eröffnete das wuschelhaarige Duo mit einem „well fuck“ ihren robusten Vortrag. Ein metallisches Gebolze hart an der Grenze zum musikalischen Aufruhr, tobten beide jenseits von Gut und Böse über das Podium. Es entwickelte sich ein unablässiges Klanggewitter, das besonders diejenigen besonders ansprach, die eine Abrißbirne als eigenständiges Musikinstrument zu würdigen wissen. Existentielles Liedgut war den Happy Flowers allemal zu attestieren, denn entweder bleiben die Mauern des Veranstaltungsortes stehen, oder eben nicht. Sie

blieben stehen. Doch die chaotischen Zwei aus Virginia bewiesen noch weitere Qualitäten. Denn was der Brite Billy Bragg mit seiner Stimme und einer Gitarre ganz allein macht, geht offensichtlich auch zu zweit, Rülpser eingeschlossen. Als unbestreitbarer Höhepunkt des Energieduos erwies sich dann eine destruktive Ballade unter Einsatz ihrer Gitarren und infernalischer Brüllgeräusche, die noch lange in den Ohren nachklangen. Wahrscheinlich auch in denen der Nachbarn.

Wer nach diesem charmanten Drei-Akkord-Geschrammel eine weitere Steigerung erwartet hatte, sah sich getäuscht. My Dad

Is Dead brachten zwar einen eigenwilligen Namen mit, im Stil erwies sich das Trio um Frontmann Mark Edwards aber gemäßigter. Befragt nach seinen Affinitäten zum verstorbenen Ian Curtis von Joy Division gab er sich zwar murrig, wollte aber nicht unbedingt dementieren. Düstere, von getragener Sehnsucht bestimmte Tonbilder, setzten sich im Kopf fest. Von der Musik leben kann niemand von ihnen, dazu seien die Auftrittsbedingungen in den Vereinigten Staaten einfach zu schlecht. Aber mit einem Augezwinkern freuten sie sich über einen Gratis-Urlaub in Europa und jede Menge Freibier. Jürgen Franck