Gericht zu faul zum Lesen

■ Ein U-Häftling, der seiner Frau draußen lange Briefe schreibt, soll sich kürzer fassen / Richter hat offenbar keine Lust, bei der Postkontrolle viel zu arbeiten

Einem 55jährigen Untersuchungshäftling wurde jetzt von der 24.Strafkammer des Landgerichts angedroht, seine Post werde nicht mehr befördert, wenn er weiterhin so rege mit seiner Frau korrespondiere wie bisher. Der Grund: Das Gericht, das die ein- und ausgehenden Briefe der ihm zugeordneten U -Häftlinge auf ihren Inhalt hin kontrolliert, ist zu faul, so viele und so lange Briefe zu lesen.

Der Gefangene Helmut R. sitzt seit Ende Februar wegen des Vorwurfs, mit Haschisch gehandelt zu haben, in U-Haft und korrespondiert seither täglich mit seiner Frau Karin. Das seit fünf Jahren verheiratete Ehepaar hatte kurz vor der Verhaftung von Helmut R. nach einer schweren Ehekrise wieder zusammengefunden. Weil es nicht mehr möglich war, die alten Probleme mündlich aufzuarbeiten, versuchen sie nun, dies in Briefen zu tun - der längste, den Karin R. von ihren Mann bekam, umfaßte zwölf Seiten. Daß Mann und Frau jeden Tag einen Brief abschicken, bedeutet noch lange nicht, daß auch jeden Tag einer ankommt. „Einmal wöchentlich“, berichtete Karin R., „kommt ein ganzer Haufen, wenn man Glück hat auch zweimal.“ Ihrem Mann ginge es genauso.

Daß die Briefe der R.s bei der zweimal in der Woche stattfindenden Postkontrolle zu dicken Stapeln aufgelaufen sind, wollen die Richter abstellen. In einem Schreiben vom 30.Mai teilten sie R. mit, daß „eine Beschränkung des Briefverkehrs in Aussicht genommen“ sei, falls dieser „so ungewöhliche Ausmaße“ behalte. Zur „Vermeidung entsprechender gerichtlicher Maßnahmen“ wurde R. und seiner Frau geraten, die „Briefabsendung auf zwei Briefe von zwei Seiten im Format DINA4 wöchentlich“ zu begrenzen. „Andernfalls müßten die überzähligen Brief von der Aushändigung ausgeschlossen und entweder auf Kosten des Absenders an diesen zurückgeleitet oder bis zu Ihrer Entlassung bei Ihrer Habe aufbewahrt werden.“

Rechtsanwalt Wolfgang Wieland hat seinem Mandaten R. und dessen Frau geraten, so weiter zu schreiben wie bisher. Das Schreiben des Gerichts ist für Wieland nichts anderes als „die Ankündigung einer Arbeitsweigerung“, gegen die für den Fall, daß tatsächlich ein richterlicher Beschluß ergeht, mit allen rechtlichen Mitteln vorgegangen werden müsse. „Kann denn Schreiben Sünde sein“, witzelte der Anwalt in Vorfreude auf den Gerichtsbeschluß, auf dessen Begründung man gespannt sein darf.

plu