Abschied von China

■ Bundesbürger verlassen Peking

Die chinesische Hauptstadt Peking ist zumindest an der Oberfläche wieder zu einer eingeschränkten Normalität zurückgekehrt. Nach unserem überstürzten Auszug vom Campus des Spracheninstituts Anfang der Woche sind wir heute noch einmal mit dem Auto zu unserem früheren Arbeitsplatz zurückgefahren.

Ganz oben im Nordwesten der Stadt herrscht eine angespannte Ruhe. Soldaten räumen ausgebrannte Panzer, Busse und Lastwagen von der Straße. Das Universitätsgelände wirkt wie ausgestorben. Keine Spur mehr von dem bunten Leben, das noch vor wenigen Wochen hier herrschte. Die meisten Bürger der Bundesrepublik Deutschland in Peking sind beim Kofferpacken. Hastig wird den Freunden lebewohl gesagt. Viele befürchten: „Ruhe herrscht nur solange, bis die Ausländer abgezogen sind.“ Dann könnte es erst richtig losgehen.

Wahre Tragödien spielen sich bei jungen Studentenpaaren ab, die sich erst in China kennengelernt haben. Wenn sie aus unterschiedlichen Nationen kommen, ist es ungewiß, ob sie sich jemals wiedersehen werden. Hochschüler, die gar mit Chinesen liiert sind, hält die Angst um die Zukunft der Partner in China. Einige haben sich daher entschlossen, vorerst in der Volksrepublik zu bleiben. Denn gestern wurde sogar ein Hongkong-Chinese noch im Flugzeug verhaftet.

Für viel Ärger sorgte die Lufthansa. Studenten, die zurück nach Deutschland fliegen wollen, sollen zwischen 2.000 und 3.000 Mark auf den Tresen der bundesdeutschen Fluggesellschaft legen. Doch die meisten Hochschüler haben in ihrem Etat nur wenige hundert Mark für eine Rückfahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn vorgesehen. Auch die bundesdeutsche Botschaft in Peking will die Flugkosten nicht vorstrecken. Überhaupt ist sie organisatorisch total überfordert.

Am Flughafen geht es chaotisch zu. Die Arbeiter sind nicht erschienen, und die Angestellten der Fluggesellschaften müssen die Koffer selbst schleppen. Auch in den Fabriken wird kaum noch gearbeitet. Die Menschen sind deprimiert und weinen am Arbeitsplatz. Ich werde am Freitag mit meiner Familie ausfliegen. Mit einer Maschine der staatlichen chinesischen Fluggesellschaft. Die sind fast leer jetzt.

Reinhold Wandel, Peking