Kein Freispruch, aber frei

Uli Winterhalter wird in Stammheim wegen Hehlerei verurteilt / Paragraph 129a greift diesmal nicht / Haftentschädigung abgelehnt / Strafsenat verwahrt sich gegen Verteidigerangriffe  ■  Aus Stuttgart Hartmut Zeeb

Der in Stuttgart-Stammheim wegen „Unterstützung der RAF“ angeklagte Uli Winterhalter ist gestern wegen Hehlerei zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Da Winterhalter bereits acht Monate in Untersuchungshaft zubrachte, wurde er nach der Urteilsverkündung auf freien Fuß gesetzt.

Nach dem Urteilsspruch wurde Uli Winterhalter von seinen Verteidigern und Freunden mit Sekt empfangen. Zu einem Freispruch allerdings hatte sich der 5.Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht durchringen können. Nachdem am vergangenen Montag die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer überraschend darauf verzichtet hatte, die Anklage wegen Unterstützung der RAF weiter aufrechtzuerhalten, spiegelt das Urteil dennoch Konformität zur Rebmann-Behörde wider. Um ihr nach einem überdimensional aufgeblasenen Strafprozeß die Peinlichkeit eines Freispruchs zu ersparen, wurde Winterhalter wegen Hehlerei verurteilt. Die Begründung des Gerichts: Er habe eine unbekannte Person zum Diebstahl des Narkotikums Ketanest angestiftet. Das bleibe ein strafbarer Tatbestand, auch wenn ein Zusammenhang zur RAF nicht nachgewiesen werden könne. Ursprünglich hieß es in der Anklageschrift, Winterhalter habe den Stoff „für Zwecke oder im Auftrag und mit Wissen der RAF“ aufbewahrt.

Im Strafmaß blieb das Gericht mit 90 Tagessätzen zu je 15 Mark nur unwesentlich hinter den geforderten 150 Tagessätzen zurück. Nachdem der Angeklagte bereits acht Monate in Untersuchungshaft verbracht hat, spielt das jedoch keine Rolle mehr. Die von den Verteidigern und den Grünen im baden -württembergischen Landtag geforderte Haftentschädigung lehnte der Vorsitzende Richter Schmid kategorisch ab, da ein Tatverdacht zwingend gegeben gewesen sei. Immerhin habe sich Uli W. im Sommer an der Kampagne gegen die IWF-Tagung aktiv beteiligt. Außerdem habe er sich wiederholt zu dem mit der RAF sympathisierenden Widerstand bekannt und Kontakte zu RAF -Häftlingen und deren näherem Umfeld gepflegt. Deshalb muß er auch ein Drittel der Kosten des Verfahrens tragen.

Der Vorwurf, den die Verteidigung im Rahmen ihres Plädoyers erhoben hatte, Uli Winterhalter sei, analog zur Rechtspraxis des „Dritten Reiches“, gezwungen worden, selbst seine Unschuld zu beweisen, wies Richter Schmid entrüstet zurück.

Auch der Vorwurf, der Senat habe die Verteidigung durch die eingeschränkte Akteneinsicht behindert, sei aus der Luft gegriffen. Zwar bestünden nachvollziehbare berechtigte Befürchtungen, der Paragraph 129a könnte gelegentlich überstrapaziert werden; der verhandelnde Senat sei dieser Gefahr einer Ausweitung jedoch nicht erlegen. Der Vorwurf, die politische Gesinnung des Angeklagten solle bestraft werden, wurde als propagandistische Behauptung abgetan. Die ProzeßbesucherInnen, die zu großen Teilen das Verfahren mitverfolgt hatten, brachen in schallendes Gelächter aus.